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■ QuerspalteVisionäre Infobox

Eine neue Spezies Mensch wächst heran, und das in Berlin. Schon sind es Millionen, und sie locken täglich mehr Gesinnungsgefährten aus allen Teilen der Welt herbei. 3,5 Millionen Menschen haben in nur zwei Jahren den Tempel der modernsten aller Volksbewegungen besucht: die rote Infobox am Potsdamer Platz. Da sage noch jemand, der Senat habe unrecht mit seiner Linie, die Stadt zur Metropole von Multimedia, zum Zentrum virtueller Realität zu machen. Es klappt!

Es ist ein offenes Geheimnis, daß die schlammigen Baustellen, Laster, Kräne und Hochhäuser aus Beton nicht annähernd so interessant sind wie ihr Bildnis. Die Vision, die schöne Vorstellung, sie ist irreal, aber perfekt inszeniert im Innern des schwebenden Containers am Rande der Baugrube. Das Prinzip ist genial. Es wurde beim Stadtschloß aus Plastikplane und Stahlgerüst schon ausprobiert. Aber ausgereizt ist es darum längst noch nicht. Was könnte lustiger sein als ein Gang ins virtuelle Abgeordnetenhaus? Warum läßt man nicht vor dem Preußischen Landtag ein Computeranimationszentrum errichten? Heißa, wie würden die Volksvertreter am Bildschirm springen, mit der Hand am Cursor zucken und mit elektronischer Stimme aus dem Off versprechen: „Ja ja, du hast mich gewählt, ich tue alles, was du willst.“ Oder der virtuelle Arbeitsplatz dort, wo einstmals der reale stand. Die Software würde alles bieten: den Videofilm von der Betriebsfeier 1987 bis zur eigenen Beförderung zum Abteilungsleiter im Jahr 2002. Nur ein Problem konnten die SoftwareentwicklerInnen bislang nicht lösen: die elektronische Ernährung des Multimediamenschen. Was ist kalte Virtualität gegen warme Würstchen? Hannes Koch

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