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Drama wird Melo

■ Bei der Kummerarbeit lustlos: H. Hoenig in "Mein Kind muß leben" (20.45 Uhr, arte)

Alles läuft prima. Vater Wagner ist das Familienoberhaupt. Hat sich hochgearbeitet. Hat dem Schwiegervater gezeigt, daß er ein Möbelhaus hochziehen kann. Die Töchter sind unauffällig, die Gattin hat den Clan liebevoll im Griff. Dann der Alptraum. Auf dem Weg zum Großereignis, der Eröffnung der ersten Filiale, verunglückt die Tochter. Die glanzvolle Krönung eines Berufslebens fällt flach.

Nach wenigen Tagen die Diagnose, daß die Verunglückte nie wieder ganz genesen würde – Apallisches Syndrom. Alle Organe sind intakt, nur das Gehirn nahm Schaden – angeblich irreparabel. Ein Kampf um die Tochter beginnt. „Mein Kind muß leben“ handelt auch von der Angst der meisten Menschen vor dem Verlust eines mühsam normalen Lebens.

Ein klassischer Plot also. Regisseur und Drehbuchautor ist Diethard Klante, Spezialist für Geschichten, in denen ein Unglück festgefügte Ordnungen zermürbt. In diesem Fall griff er auf einen authentischen Fall zurück. Der führte damals, vor zehn Jahren, zur Gründung des ersten deutschen Therapiezentrum für hirngeschädigte Menschen. Der Film berichtet von der Zeit davor. Von der Ignoranz der Ärzte, der Routine des Pflegepersonals. Und von den schnellen Befunden: „Aussichtslos, der Zustand Ihrer Tochter.“

Das hört sich an wie ein Drama, wird gewiß auch eines gewesen sein – und schaut sich doch wie ein gutherziges Melodram an, in dem es nur Tapfere und Herzlose gibt. Zwar zeigt der Film auch, wie der Vater verzweifelt-böse versucht, seine Tochter umzubringen; auch die Mutter ist nicht nur Liebesmaschine; der Film deutet auch an, daß die gesunde Tochter sich vernachlässigt fühlt, weil alle Obhut der Kranken gilt. Doch all diese Szenen werden dramaturgisch abgespult, mehr nicht. Jeder Konflikt in diesem Stück ist vorhersehbar.

Das Ende – ausgerechnet zu Weihnachten – kommt wie ein Wunder. Alle Schulmediziner müssen kapitulieren vor der Energie des Vaters, sehen ein, daß seine Liebe und sein Glaube Berge versetzen konnten. Schließlich applaudieren sie alle, die Bürokraten, Ärzte und die Familie sowieso. Ein Mann ging seinen Weg – er gab nicht auf, denn die Kranke lernt wieder laufen. Was sich anfänglich gut anließ, mündet stilistisch zwischen Soap und Schulfernsehen der christlichen Art, zwischen Klischee und Herzeleid. Motto: Wird schon wieder.

Im übrigen spielt Heinz Hoenig die Hauptrolle. Als „Sugar“ in Wedels „König von St. Pauli“ durfte er gebrochener spielen. In Klantes Film ist er immer noch die beste Besetzung. Aber seufzend spielunlustig wirkt er trotzdem. So, als würde er all der Tapferkeit des väterlichen Kummermanagements nicht trauen. Dem Film hätte dokumentarische Genauigkeit gutgetan – so schaut er sich an, als buhlte er nur um Mitleid. Jan Feddersen

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