: Schwächung der Nationalisten erwünscht
Am Wochenende wird in Bosnien-Herzegowina gewählt. Die internationale Gemeinschaft unterstützt aktiv Sozialdemokraten und Sozialisten und setzt die alten Nationalparteien unter Druck ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder
Die Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas ist im Wahlfieber. Die politische Landschaft des Landes ist in Bewegung geraten. Neue, nicht nationalistische Parteien wurden gegründet. Die Nationalparteien müssen vor den Wahlen am kommenden Wochenende um Stimmen fürchten.
Bei den letzten Wahlen vor zwei Jahren noch gingen die Nationalparteien als Sieger bei den Wählern ihrer jeweiligen Volksgruppen hervor. Die multikulturelle bosnische Gesellschaft war durch den Krieg zerschlagen, die Mehrheit der Menschen bekannte sich zu ihrer jeweiligen Volksgruppe. Die bosnischen Serben wählten die „Serbische Demokratische Partei“ (SDS) von Radovan Karadžić. Die Mehrheit der Muslime votierte für die „Partei der demokratischen Aktion“ (SDA) von Alija Izetbegović. Und die kroatisch-bosnische Bevölkerung stimmte mit über 90 Prozent für die „Kroatisch-Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ).
Doch zwei Jahre später sind ernsthafte Konkurrenten aufgetaucht. Die kroatische HDZ hat sich gespalten. In den muslimisch dominierten Gebieten konkurrieren mittlerweile Sozialdemokraten und Unabhängige erfolgreich mit der SDA. Und in der Republika Srpska ist sogar das Ende der ehemaligen Karadžić-Partei SDS abzusehen.
„Der wichtigste Erfolg für die internationale Gemeinschaft besteht darin, daß sich die Parteienlandschaft in den letzten beiden Jahren differenziert hat“, erklärte der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Carlos Westendorp.
Nicht offen ausgeprochen wird, daß die internationalen Institutionen in Bosnien-Herzegowina – allen voran das „Büro des Hohen Repräsentanten“ (OHR) – den Niedergang der Nationalparteien aktiv herbeiführen wollen. Seit der Konferenz von Sintra im Frühjahr 1997 wurde nach dem Prinzip „Zuckerbrot und Peitsche“ vorgegangen. Jene politischen Kräfte, die das Abkommen von Dayton blockierten, gerieten ins Fadenkreuz der internationalen Diplomaten, jene, die mitarbeiteten, wurden mit Unterstützungsgeldern und Projekten der Hilfsorganisationen belohnt.
Schon mit dem Umzug der Präsidentin der Republika Srpska, Biljana Plavšić von Pale nach Banja Luka 1997 wurde auf der serbischen Seite dieser Prozeß eingeleitet. Pale spielt seither keine Rolle mehr. Mit Ministerpräsident Milorad Dodik kam im Januar 1998 in der Republika Srpska ein sozialliberaler Politiker an die Macht, der für Gespräche mit den anderen Volksgruppen aufgeschlossen ist. Auch wenn bisher noch keine großen Fortschritte bei der Flüchtlingsrückkehr in der Republika Srpska erreicht worden sind, so wird sich nach Meinung von Mitarbeitern des Büros des Hohen Repräsentanten dies bald ändern. „Nach den Wahlen muß Dodik dann Farbe bekennen“, sagt ein Mitarbeiter.
Ob die Rechnung allerdings in den von Serben kontrollierten Gebieten Bosnien-Herzegowinas aufgeht, ist fraglich. Laut Umfragen droht in der Republika Srpska das Pendel wieder nach rechts umzuschlagen – die Stimmen der Karadžić-Partei könnten nämlich von der „Radikalen Partei“, die dem serbischen Nationalistenführer Vojislav Seselj nahesteht, aufgesogen werden, enttäuschte Plavšić- Anhänger ebenfalls zu den Radikalen wechseln.
Angesicht dieser Gefahr drohte das OHR, Wahlkampfauftritte von Seselj und der Radikalen Partei zu verbieten, ihre Parteien möglicherweise von den Wahlen auszuschließen. Gleichzeitig gab das OHR zu erkennen, daß es die kleine Sozialdemokratische Partei der Republika Srpska, der Dodik vorsteht und auch die Milošević nahestehende „Sozialistische Partei der Republika Srska“ (SPRS) unter Zivko Radicić politisch unterstützt.
Das OHR setzte auch die kroatische Nationalpartei HDZ unter Druck. Gegen Dayton arbeitende Bürgermeister und Polizeichefs wurden zum Rücktritt gezwungen, 15 Kandidaten von den Wahllisten gestrichen. Indem das kroatische Mitglied des Staatspräsidiums, Kresimir Zubak, ermuntert wurde, eine eigene Partei zu gründen, wurde die bisher geschlossene Phalanx der kroatischen Nationalisten gebrochen.
Massiv mischt sich die internationale Gemeinschaft auch in den muslimisch dominierten Gebieten ein. Ihre Favoriten sind die „Sozialdemokratische Partei“, SDP, unter Zlatko Lagumdzija und die „Union Bosnischer Sozialdemokraten“ unter dem populären Bürgermeister von Tuzla, Selim Beslagić. Vor allem die SDP scheint in der Lage zu sein, die Position on Izetbegović' SDA, die bei den Wahlen mit vier kleineren Parteien als „Koalition“ antritt, zu erschüttern. In den Städten Tuzla und Zenica haben die beiden linken Parteien schon jetzt eine sichere Mehrheit, und selbst in der SDA-Hochburg Sarajevo scheint die Stimmung zu kippen.
„Wir wollen und müssen die Demokratisierung der Gesellschaft durchsetzen“, sagt der deutsche Diplomat und Stellvertreter von Carlos Westendorp, Hanns Schumacher. Er sieht im Niedergang der Nationalparteien das wirksamste Mittel, eine friedliche und demokratische Zukunft in Bosnien-Herzegowina zu bewirken.
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