: Tödlicher Einkaufsbummel in Teheran
■ Der seit einer Woche vermißte iranische Dissident Mohammad Mohtari wurde ermordet – der vierte derartige Fall in drei Wochen
Berlin (taz) – Der Einkaufsbummel war tödlich. Am Donnerstag vor einer Woche verließ der iranische Literat Mohammad Mohtari seine Wohnung in Teheran. Er wollte nur kurz etwas kaufen gehen, doch er kam nie zurück. Am Mittwoch abend entdeckte Mohtaris Sohn seinen toten Vater, am Hals hatte er Würgemale. Mordwerkzeug war wahrscheinlich ein Strick.
Die britische BBC wußte am gleichen Tag zu berichten, Irans Polizei habe den toten Dissidenten bereits am Freitag außerhalb Teherans entdeckt. Dennoch behaupteten die Behörden gegenüber der Familie fast eine Woche lang, sie hätten keine Ahnung, wo Mohtari stecke. Angehörige suchten Krankenhäuser, Polizeistationen und andere mögliche und unmögliche Orte nach dem 56jährigen ab – vergeblich. Erst der erneute Besuch des Sohnes in einer Leichenhalle brachte Gewißheit: Mohammad Mohtari ist tot.
Iranische Behörden halten sich zur Ursache des Todes bedeckt. Mohtaris Angehörige und Freunde vermuten einen politisch motivierten Mord. Die Täter handelten ihrer Ansicht nach im Auftrag von Teilen der Führung der Islamischen Republik.
Für diese Version spricht Mohtaris Vita. Der Schriftsteller und Lyriker galt als Gegner der Machtverhältnisse in Iran. 1994 stand sein Name unter dem „Aufruf der 134“, einem aufsehenerregenden Appell zur Gründung eines unabhängigen Schriftstellerverbandes. Laut Kollegen gehörte Mohtari zum engen Zirkel jener Schriftsteller, die versuchen, einen solchen Zusammenschluß über politische Gräben hinweg ins Leben zu rufen. Wie viele seiner Mitaktivisten wurde der Schriftsteller wiederholt inhaftiert – zuletzt im Oktober.
Mohtari ist der vierte iranische Dissident, der in den letzten drei Wochen auf mysteriöse Weise ums Leben kam. Ende November entdeckten Freunde in Teheran die Leichen von Dariusch Foruhar und seiner Frau Parvaneh Iskanderi. Der oppositionelle iranische Nationalist und seine feministisch engagierte Frau waren in ihrer Wohnung überfallen und grausam verstümmelt worden. Wenig später wurde auf einer Straße der iranischen Hauptstadt die Leiche von Madschid Scharif entdeckt. Der Soziologe war ein Freund Foruhars. Die offizielle Todesursache lautete Herzinfarkt; iranische Oppositionelle sprechen auch hier von politischem Mord. Ein weiterer Regimekritiker, der Gründer der „Vereinigung für Demokratie in Iran“, Pirus Davani, ist bereits seit dem 25. August spurlos verschwunden.
Erst am vergangenen Montag hatte Irans Präsident Chatami vor Studenten in Teheran davor gewarnt, „Faschismus auf der Grundlage von Religion zu rechtfertigen“. Hintergrund war der Tod von Foruhar und seiner Frau sowie das Verschwinden Mohtaris. Chatamis Rede war die bisher aggressivste Antwort des iranischen Regierungschefs auf den Terror seiner konservativen Gegner. Thomas Dreger
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