Wenn der Krimi live in die Buchhandlung kommt

■ True Crime in Berlin: Der Buchhändler Robert Kiepert wurde von zwei maskierten Tätern überfallen

Eigentlich sollte es ein schöner Abend werden, mit einer schönen jungen Frau: Doch dann sah sich der 70jährige Robert Kiepert, Inhaber der gleichnamigen Buchkette, in einem Live-Krimi: „Ich guckte in die Mündung der Pistole.“ Um 21.30 Uhr waren zwei maskierte Männer in sein Büro gestürmt und hatten ihn mit einer Waffe bedroht.

„Die waren hektisch, unsicher und unprofessionell“, beschrieb der weißhaarige Buchhändler gestern den Druck, unter dem die Täter standen. „Profis sind weniger gefährlich.“ Zutritt hatten sich die Räuber, wie die Polizei später feststellte, durch eine Hintertür beim Kinderbuchladen verschafft. Dabei hatten sie möglicherweise einen stillen Alarm ausgelöst.

Aufgeregt, berichtete Kiepert gestern, hätten die Gangster auf ihn eingeredet. Sie sperrten ihn schließlich in die Toilette und fesselten seine Handgelenke mit Klebeband. „Der eine hatte sich vor lauter Aufregung selbst mit dem Zeug ganz verheddert“, schildert Kiepert später das kuriose Schauspiel. Der Täter mit der Waffe, laut Kiepert möglicherweise ein Pole, drohte, indem er das Magazin wie zum Beweis des Ernstes der Lage öffnete. Doch die Munition, so wollte es das reale Drehbuch, fiel heraus und rollte hinter die Klobürste, wo sie der Gangster nur mühselig wieder hervorfischte. Doch zum wahren „Film-Noir“ zwischen Büroraum, Toilette und Flur sollte noch ein weiterer Ort hinzukommen. Im Keller des Geschäfts bunkert der Inhaber allabendlich einen Teil der Tageseinnahmen. „So mehrere zehntausend Mark“, wie Kiepert gestern meinte. Den aufgesetzten Lauf mit Schalldämpfer stets im Rücken, führte er die Männer zum Versteck. 13 Geldkasetten in einem Einkaufswagen hatte Kiepert dort im Untergeschoß verwahrt.

Der „Pole“ und ein vermeintlich dritter Täter, den Kiepert gesehen haben will, flüchteten durch die Gänge des Kellers. Mit dem übriggebliebenen Mann „verhandelte“ er über seine „weitere Verwahrung“. Als Kiepert und sein Kidnapper die Kellertreppe hochstiegen, blickte plötzlich der Wachmann von der Schließgesellschaft um die Ecke, zog Kiepert beherzt die Treppe hoch und sperrte den Gangster ein. Kiepert selbst verkroch sich auf die Toilette und wartete auf die Polizei. Die kam in kugelsicheren Westen und Helm und stürmte die Buchhandlung. Den im Keller eingesperrten Gangster entdeckte sie in einer Luke. Dort hatte er sich verkrochen und wollte sich erschießen. Gegen 1 Uhr morgens gab er auf. Kiepert: „Wie der wohl in die Sache reingerutscht ist?“ Annette Rollmann