: Bahn koppelt Kritiker ab
Neuer Ärger für Mehdorn: Zum Holocaust-Gedenktag gibt es Protest gegen die geplante Schau über Deportationen. Kritiker bemängeln, dass die Initiatoren Beate und Serge Klarsfeld außen vor bleiben
VON GITTE DIENER
Bahnhof plus Sturm gleich Ärger – derzeit eine fast zwingende Gleichung für die Bahn. Heute kommt der Gegenwind von namhaften Protestlern. Anlass ihrer für 16 Uhr geplanten Kundgebung ist der Holocaust-Gedenktag. Der Grund indes: eine für 2008 geplante Ausstellung über die Rolle der Reichsbahn bei der Deportation der Juden.
Der Streit, ob in deutschen Bahnhöfen eine Ausstellung über deportierte jüdische Kinder zu sehen sein wird, dauerte Monate. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hatte sich lange dagegen ausgesprochen. Im Dezember kam schließlich sein Ja. „So nicht!“, antworten jetzt unter anderem Lea Rosh, Vorsitzende des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“, und Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin.
Ihre Forderungen an die Bahn AG: Die Ausstellung muss in zentralen Bereichen des Bahnhofs zu sehen sein. Und möglichst vor 2008. Sie soll sich mit der Deportation jüdischer Kinder auseinandersetzen, weniger mit technischen Details zum Schienenverkehr. Und: Beate und Serge Klarsfeld sollen in die Vorbereitung einbezogen werden.
Die beiden haben eine Ausstellung in Frankreich initiiert und entwickelt, die unter dem Titel „11.000 jüdische Kinder – Mit der Reichsbahn in den Tod“ in französischen Bahnhofshallen gezeigt wurde. Ein Vorbild – so sehen es diejenigen, die heute ihre Stimme erheben werden.
Die Bahn hat sich für einen eigenen Weg entschieden. Ein Arbeitskreis wurde gebildet, der vorgestern erstmals tagte – ohne Beate und Serge Klarsfeld. Für Lea Rosh „ein ungewöhnlicher Schritt, dass man die Initiatoren ausnimmt“. Die Bahn habe entschieden, „dass das Material nicht geeignet ist“. Rosh berichtet von einem inhaltlichen Streit: „Es geht nicht um Züge und Gleise, sondern um Menschen“, erläutert sie den Konflikt. Die Bahn wolle die Ausstellung „entemotionalisieren“, Beate und Serge Klarsfeld strebten das genaue Gegenteil an: personalisieren.
Alfred Gottwaldt sieht das anders. Als Leiter der Abteilung Schienenverkehr im Deutschen Technikmuseum soll er die Ausstellung mitentwickeln. „Serge Klarsfeld verlangt die Eins-zu-eins-Übernahme seiner Ausstellung – eine verständliche, aber übertriebene Maximalforderung.“ Denn die Schau solle auch umfassend über die Rolle der Reichsbahn im Holocaust informieren. „Entemotionalisiert“ werde sie dennoch nicht sein.
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