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der wochenendkrimiEin todgeweihter Gladiator

„Polizeiruf 110: Taubers Angst“ So, 20.15 Uhr, ARD

Der Untote stürzt am Tresen ein paar Zombies in sich hinein – doch auch die Cocktails bringen nicht den ersehnten Schlaf. Spätestens nach einer Stunde ist Tauber (Edgar Selge), der Kommissar mit dem einen Arm, wieder hellwach – aufgeschreckt vom immer gleichen Traum: Man hackt ihm mit der Axt auch noch den anderen ab. Der Mann wird zum Nachtwandler. Dazu singt Van Morrison seinen „Moondance“, während der Ermittler tonlos und allein im Wohnzimmer vor sich hin monologisiert.

Soziopathie als Arbeitsgrundlage – so grausam und penibel wurde das beliebte Krimi-Motiv selten in Szene gesetzt. Taubers Angstneurose lässt ihn mehr und mehr vereinsamen und liefert doch den Antrieb für den Job. Auslöser war ein Vorfall während eines Verhörs: Da sprang ihm der mutmaßliche Prostituiertenmörder Denninger (Herbert Knaup) an den Hals und würgte ihn fast bis zum Exitus. In Folge ist der Polizist nur noch ein Schatten seiner selbst, der Verdächtige aber wird aufgrund eines Ermittlungsfehlers wieder auf freien Fuß gesetzt.

Den Dufflecoat trägt Tauber nun wie die Kutte eines todgeweihten Gladiators. Die Kollegen scheinen Komplotte gegen ihn auszuhecken, und dann verabschiedet sich sein Psychiater auch noch auf Dienstreise. Was tut der Kommissar, für dessen Verkörperung Selge eben mit der Goldenen Kamera belohnt wurde? Er quartiert sich neben Denninger ein, um ihm den Mord doch noch nachzuweisen.

Autor und Regisseur Klaus Krämer, der schon seine Münchner Polizeiruf-Folge „Die Maß ist voll“ als Psychothriller aufbereitete und damals die Kollegin Obermaier (Michaela May) mit der nackten Angst konfrontierte, verzichtet dabei weitgehend auf handelsübliche Schockeffekte. Vom Gewaltausbruch in der Verhörzelle abgesehen bleibt die Bedrohung sonderbar gedämpft. Sie schleicht des Nächtens über lange Flure im Hotel, deren Teppiche jedes Geräusch schlucken.

So bleibt alles eine Frage der Wahrnehmung, und die ist bei Tauber eben heillos überreizt: Bellende Hunde werden zu Mordmaschinen, eine weitere erwürgte Frau schaut sich der Ermittler indes nur sonderbar teilnahmslos an. Dieses Opfer nämlich, so zeigt sich schnell, hat nichts mit dem Mord an der strangulierten Prostituierten zu tun – es wurde ganz offensichtlich vom besoffenen Ehemann getötet. Mit pfundigem Pragmatismus will Kollegin Obermaier erst mal diesen Fall abschließen, dann arbeitet es sich, „Sie werden schon sehen“, am anderen bestimmt viel besser. Doch was könnte einen wie Tauber an der Routine reizen? Das eigene Leben ist schließlich schon lange außer Sichtweite, nur die Angst treibt ihn noch an. CHRISTIAN BUSS

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