piwik no script img

AKW Brunsbüttel: Energiekonzerne hintertreiben den AtomausstiegDie Ausnahme als Regel

Nahezu täglich kommen neue Details aus dem Innenleben des Atomkraftwerks Forsmark an die Öffentlichkeit. Jedes von ihnen lässt das Misstrauen gegen den Kraftwerksbetreiber Vattenfall und die Atomkraft als Energieträger wachsen. In so einer Situation bedarf es schon eines besonders ausgeprägten Mangels an politischer Sensibilität, wenn der gleiche Konzern, der für Forsmark zuständig ist, erklärt, dass er seinen Reaktor in Brunsbüttel länger als vorgesehen betreiben will.

Nur zur Erinnerung: Der Meiler weist Konstruktionsparallelen zu Forsmark auf. In der Kieler Aufsichtsbehörde liegt eine Liste von Sicherheitsmängeln, die behoben werden müssten. Passiert ist offenbar nichts. Brunsbüttel ist das drittälteste Atomkraftwerk in Deutschland und hat in puncto Sicherheit ausreichend negative Schlagzeilen gemacht.

Dennoch soll der Reaktor länger laufen. Jüngere, vermeintlich sicherere Meiler müssten dafür eher vom Netz. Das lässt das Gesetz zwar zu, aber der entsprechende Passus war als Ausnahmeregelung gedacht. Dennoch hat der Bundesumweltminister nun bald den dritten Antrag auf eine solche Ausnahme auf seinem Tisch. Es scheint, die Betreiber wollten die Ausnahme zur Regel machen.

Noch hat Vattenfall sein Vorhaben nicht offiziell begründet. Doch es ist zu erwarten, dass wie bei RWE und EnBW auch der Klimaschutz als Argument herhalten wird. Damit die Atomenergie aber tatsächlich eine bedeutende Rolle zur Senkung der Treibhausgasemissionen spielen könnte, müssten weltweit gut 2.000 neue Reaktoren gebaut werden. Tatsächlich decken Atomkraftwerke nämlich lediglich 2,5 Prozent der Weltenergieversorgung.

Diese Menge ließe sich durch erneuerbare Energien und effizientere Technik erbringen. Sicher bedarf es noch entsprechender Forschung und Finanzen, um den steigenden Energiebedarf gerade auch in Schwellen- und Entwicklungsländern zu decken. Doch in zukunftsfähige Techniken zu investieren ist nachhaltiger als Wiederbelebungsversuche für eine veraltete, unwirtschaftliche und risikoreiche Stromerzeugung. STEPHAN KOSCH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen