LIBANON: ANSCHLÄGE SOLLEN ANTISYRISCHE REGIERUNG SCHWÄCHEN: Politik der Einschüchterung
Zu historischen Rückblicken bleibt an Jahrestagen im Libanon selten Zeit. Immer wieder holt die Aktualität das seit über drei Jahrzehnten von Krisen, Krieg und Krawallen erschütterte Land ein. So auch gestern, als sich Regierungsanhänger in allen Teilen des Mittelmeeranrainers auf die große Kundgebung zu Ehren des heute vor zwei Jahren ermordeten Expremierministers Hariri vorbereiteten.
Doch nach dem Bombenanschlag mit drei Toten dürfte die Demonstration auf dem im Herzen Beiruts gelegenen Märtyrerplatz weitaus weniger Teilnehmer anziehen als am Valentinstag vor einem Jahr: Hunderttausende strömten damals an das Grab des wegen seiner Wiederaufbauleistungen bereits zu Lebzeiten als „Mr. Lebanon“ titulierten Multimilliardärs. Die Syrien-kritische „14. März“-Bewegung rund um Premierminister Fuad Siniora und den Sohn des Ermordeten, Saad Hariri, war so stark wie seitdem nicht mehr.
Um ein Wiedererstarken der seit Monaten mit Rücktrittsforderungen konfrontierten Regierung zu verhindern, dürften die bislang unbekannten Täter zugeschlagen haben. Und um die Massen einzuschüchtern: Die Hauptstraße, an der die Bomben explodierten, führt durch das Kernland der christlichen Regierungsanhänger. Die Angst vor einem weiteren Anschlag wird viele von einer Teilnahme an der Kundgebung abhalten.
Und auch am Märtyrerplatz ist die Lage alles andere als entspannt. Nur Stacheldraht und Soldaten trennen das Gelände rund um das Grab Hariris vom Protestcamp der Opposition. Dass die Gefolgsleute von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah und seines wichtigsten christlichen Verbündeten, Michel Aoun, über Waffen verfügen, ist kein Geheimnis.
Nach den Massendemonstrationen der Opposition im Dezember wollte die Regierung zum Jahrestag des Hariri-Mordes beweisen, dass noch immer Hunderttausende hinter ihr stehen. Je geringer die Teilnehmerzahl, desto besser für Nasrallah und Aoun: Schon seit Ende des Krieges mit Israel verweisen sie darauf, dass Siniora den Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat. MARKUS BICKEL
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