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Schlachterschiff in Seenot

Neuseelands Regierung fordert Japan auf, die „Nisshin Maru“ unverzüglich aus der Ökozone Antarktis zu entfernen

AUS TOKIO MARCO KAUFFMANN

Der japanische Walfänger „Nisshin Maru“ sitzt in der Antarktis fest. Nach dem Brand von vergangener Woche, beim dem ein Seemann getötet wurde, kann sich das schwer beschädigte Schiff seither nicht aus eigener Kraft bewegen. Trotzdem lehnte die Besatzung auf Geheiß der japanischen Regierung das Angebot von Greenpeace ab, die schwimmende Walverarbeitungsfabrik abzuschleppen. Ein Schiff von Greenpeace, das aus Protest den Japanern nachstellte, befindet sich in unmittelbarer Nähe.

Neuseelands Behörden haben Japan unterdessen aufgefordert, die mit 1.000 Tonnen Benzin und Öl beladene „Nisshin Maru“ unverzüglich aus der sensiblen Ökozone zu entfernen. Mit einem Wetterumschwung wachse die Gefahr einer Umweltkatastrophe. Umweltminister Chris Carter sagte, das Schiff liege „tot im Wasser“. Japan wurde daran erinnert, seine Verpflichtungen als Unterzeichnerstaat der Antarktis-Konvention einzuhalten. Greenpeace drängte Tokio, sein Hilfsangebot anzunehmen. Es sei keine Zeit für politische Ränkespiele.

Die Fischereibehörde in Tokio spielte den Zwischenfall am Wochenende herunter. „Von der ‚Nisshin Maru‘ geht keine Gefahr aus“, sagte Kenji Masuda, einer ihrer Beamten. Gelinge es der Besatzung nicht, die Motoren anzufahren, werde ein japanisches Begleitschiff die Abschleppfunktion übernehmen.

Japans Walfangflotte ist im November in See gestochen – mit dem Auftrag, 850 Minkwale und 10 Finnwale zu angeblich wissenschaftlichen Zwecken zu erlegen. Während der diesjährigen Jagdsaison in der Antarktis kam es zu verschiedenen Zwischenfällen mit Umweltaktivisten. Nach japanischen Angaben wurde einer ihrer Walfänger anfangs Februar von der „Robert Hunter“, einem Schiff der Umweltorganisation Sea Shepherd, gerammt. Allerdings bestehe zwischen den Verfolgungsaktionen und dem Feuer kein Zusammenhang, betonten beide Seiten.

Die Japaner wollten die umstrittene Waljagd eigentlich bis Mitte März fortsetzen. Wenn das Walverarbeitungsschiff „Nisshin Maru“, ausfällt, müsste die Flotte vorzeitig nach Hause zurückkehren. Die Regierung in Tokio will heute entscheiden, ob sie den Walfang in der Antarktis für vorzeitig beendet erklärt.

Dennoch müssten japanische Walfleischliebhaber kaum auf ihre Delikatesse verzichten – in den Kühlhäusern stapeln sich die Vorräte. Japanische Walfleischliebhaber berufen sich auf eine jahrhundertealte Tradition und bezichtigen den Westen des Kulturimperialismus. In einigen Provinzen Japans werden tatsächlich seit dem 17. Jahrhundert Wale gejagt, und die ältere Generation schwelgt beim Konsum der proteinhaltigen Speise in Nostalgie. Doch wird diese Tradition von konservativen Kreisen forciert. Der Ruf, Japans Schüler mit Walfleisch zu verköstigen, kommt von denjenigen, die auch verlangen, den Geschichtsunterricht mit revisionistischen Lehrbüchern zu bestreiten.

Jüngere Japanerinnen und Japaner essen lieber Pizza statt Walzunge und ziehen Rotwein Walblut vor. Unter ökonomischen Gesichtspunkten müsste man die schwer subventionierte Walfangflotte ohnehin längst einmotten. Walbeobachtung für Touristen wäre vermutlich lukrativer.

Mit einem Wechsel der japanischen Walpolitik ist aber nicht zu rechnen. Eine öffentliche Debatte darüber findet nicht statt, die Medien behandeln das Thema unter „ferner liefen“. Viele Japanerinnen und Japaner scheinen sich schlicht nicht für die Meeressäuger zu interessieren; Widerstand spürt die Regierung nur im Ausland. Selbst Greenpeace klagt: Nach einer Kampagne in Japan erhalte das Büro in Tokio nicht einmal wütende Anrufe von Walfleischessern. Das Telefon bleibe stumm.

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