: Kraftwerk heizt Klimadebatte an
Der Stromkonzern Vattenfall will 2012 ein riesiges Steinkohlekraftwerk in Betrieb nehmen. Grüne, CDU und Naturschützer protestieren gegen den „Klimakiller“
VON ULRICH SCHULTE
Eine bessere Vorlage hätte Vattenfall der Opposition kaum liefern können: Ganz Deutschland diskutiert über den Klimaschutz, und der Stromkonzern konkretisiert seine Pläne für ein neues Steinkohlekraftwerk in Berlin.
Es soll 1 Milliarde Euro kosten, frühestens 2012 den Betrieb aufnehmen und mit 800 Megawatt elektrischer Leistung und 650 Megawatt Wärmeleistung das größte der Stadt werden. „Der Bau droht den Klimaschutz in Berlin um Jahrzehnte zurückzuwerfen“, kritisiert der grüne Energie-Experte Michael Schäfer das Projekt. Mit den Grünen machen Naturschützer und die Berliner CDU mobil gegen den „Klimakiller Steinkohle. Bei ihrer Verbrennung entstehen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2).
Die Debatte kommt Vattenfall ungelegen. Zwar hat das Unternehmen noch keinen Antrag auf Genehmigung bei der Umweltverwaltung oder beim Bezirk gestellt, aber das Ziel sei es, noch in diesem Jahr die nötigen Genehmigungen zu klären, sagte Konzernsprecher Olaf Weidner gestern. „Dann können wir 2008 mit dem Bau beginnen.“
Vattenfall möchte das Kraftwerk jährlich mit 2 Millionen Tonnen Steinkohle aus Polen beschicken. Der favorisierte Standort sei Lichtenberg, so Weidner – dort steht bereits das Vattenfall-Werk Klingenberg. Die veraltete Anlage soll nach Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks, das Strom und Fernwärme erzeugt, abgeschaltet werden. Mit einer 800-Megawatt-Stromleistung wäre es einzigartig in Berlin. Reuter West, bisher das stärkste Vattenfall-Heizkraftwerk in der Stadt, leistet 600 Megawatt.
Der Plan zieht heftige Kritik auf sich: Ein Kraftwerk dieser Dimension werde 5 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr ausstoßen, hat der Grünen-Abgeordnete Schäfer ausgerechnet. „Das sind 20 Prozent aller derzeit von Berlin verursachten CO2-Emissionen.“ Das Treibhausgas ist die Hauptursache für die Erderwärmung.
CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger, der in der letzten Zeit Ökothemen für sich entdeckt hat, hält den Bau des Vattenfall-Kraftwerks für „nicht vermittelbar“ und fordert: „Wir müssen regenerative Energien nutzen.“ Andreas Jarfe, der Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), sagt: „Statt auf erneuerbare Energie und mehr Energieeffizienz setzt Vattenfall auf eine veraltete Klimakiller-Technologie.“
Auch der Umweltexperte der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz, wirft die Frage auf, „ob nicht ein virtuelles Energiesparkraftwerk“ die bessere Alternative wäre. Sprich: ob das Land nicht mit Maßnahmen zur Wärmedämmung, Anlagen für erneuerbare Energien und innovativer Technik, etwa Mini-Blockheizkraftwerken für Wohnhäuser, ohne das Riesen-Kraftwerk auskäme. „Wir müssen überlegen, was unter ökologischen, energiepolitischen und städtebaulichen Aspekten das richtige Signal ist“, so Buchholz. Er kündigte „intensive Gespräche“ in der Fraktion an.
Ähnlich argumentieren die Grünen. Um den Neubau zu ersetzen, müsse der Senat Energie sparen und auf neue Energien setzen, sagt Schäfer. Moderne Erdgaskraftwerke könnten den restlichen Strom- und Wärmebedarf decken. Im Jahr 2000 hat Berlin drei Viertel seines Strombedarfs im Land erzeugt, den Rest aber importiert.
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