IN DER STROMBRANCHE DROHT EIN FREIER MARKT OHNE WETTBEWERB: RWE und Co. fehlt die Kontrolle
Erneut steht RWE im Mittelpunkt von Übernahmegerüchten. Vor einigen Monaten wollte angeblich die russische Gazprom den zweitgrößten Energiekonzern Deutschlands übernehmen, seit gestern gilt die französische EDF als möglicher Käufer. Auch wenn sich die Meldungen am Ende als unzutreffend herausstellen sollten – es wird früher oder später zu solchen Megadeals in Europa kommen. Und das ist schlecht für die Verbraucher.
Dabei ist die um sich greifende Fusionitis ja politisch gewollt. Schließlich hat die EU die Energiemärkte liberalisiert, damit die ehemalige Staatskonzerne sich dem Wettbewerb stellen müssen. Doch statt flexibler und kundenfreundlicher zu werden, suchen die Eon, RWE und Co. ihr Heil in grenzüberschreitenden Firmenkäufen. Und das häufig mit Rückendeckung der jeweiligen Regierungen, die aus ihren nationalen Champions europäische Player machen wollen. Am Ende dieses Prozesses werden einige wenige Konzerne sich den europäischen Markt aufgeteilt haben. In der Wettbewerbstheorie schafft dies Raum für kleinere und innovative Konkurrenten, die neben immer größer werdenden Konzernen viel Platz für ein lohnendes Geschäft finden. Doch weil die Großen auch die Macht über die Netze besitzen, kam der Wettbewerb bisher nicht in Gang. Auch deshalb hat die EU-Kommission gestern ein Verfahren gegen RWE wegen unfairen Wettbewerbs auf dem Gasmarkt eröffnet. Und deshalb drängt die EU-Kommission auf eine eigentumsrechtliche Entflechtung von Netzen und Energieerzeugern.
Dem Gigantismus der Konzerne muss eine strenge politische Kontrolle gegenüberstehen, sonst droht ein liberalisierter Markt ohne Wettbewerb um den Kunden. Wenn die Regierungen in den Mitgliedsländern in puncto Unabhängigkeit von den Energiekonzernen von der EU-Kommission lernen, wäre viel gewonnen. Doch auch der Verbraucher trägt Verantwortung. Der Markt braucht aktive Kunden, die sich dafür interessieren, wie teuer ihr Strom ist und wie er produziert wird – und für einen Wechsel ihres Anbieters nicht zu träge sind. STEPHAN KOSCH
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