: Autobahn im Moor
Polen hält an der geplanten Straße durch das Rospudatal fest. Das verärgert nun auch das Europaparlament
BRÜSSEL taz ■ Der Streit zwischen Polen und der EU-Kommission über den Bau einer Autobahn durch das unter Naturschutz stehende Rospudatal geht weiter: Vor dem EU-Parlament in Straßburg verteidigte EU-Kommissarin Dalia Grybauskaite gestern die Entscheidung, gerichtlich gegen Polen vorzugehen. Die polnische Regierung weigert sich, die Arbeiten an der Ortsumgehung für Augustów einzustellen. Dabei hat die Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und mehrere Warnungen ausgesprochen.
Die umstrittene Autobahn ist Teil der Via Baltica, die Polen über das Baltikum mit Finnland verbinden soll. Ein 17 Kilometer langes Teilstück bei Augustów führt direkt durch das Torfmoor Rospuda, einen der wenigen Urwälder Mitteleuropas, der auch unter dem Schutz des EU-Programms zur Erhaltung seltener Lebensräume steht.
Ende März hatte die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof deshalb um eine einstweilige Verfügung gebeten. Der hatte daraufhin angeordnet, dass die Bauarbeiten bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichts ruhen müssten. Die Regierung konterte mit einer Volksbefragung. Am Wochenende ließ sie in der Provinz Podlasie das erste Regionalreferendum in der Geschichte Polens abhalten. Zwar stimmten 92 Prozent für die Umgehungsstraße für durchs Rospudatal. Doch die Wahlbeteiligung lag weit unter 30 Prozent. Deshalb ist das Referendum ungültig.
In der Debatte gestern appellierten fast alle Redner an die polnische Regierung. Es gebe Alternativstrecken, die kaum teurer seien als die geplante Trasse. Der konservative Abgeordnete John Bowis sagte: „Diese Aussage richtet sich nicht gegen Polen. Viele Länder haben schon unter solchem Druck gestanden, wenn es darum ging, Wirtschaftsinteressen und Umweltbelange auszubalancieren.“
Sein holländischer Kollege Thijs Berman von den Sozialisten ergänzte: „Die nationale Politik ist oft großem wirtschaftlichen Druck ausgesetzt. Da ist es gut, wenn die EU eingreifen kann.“ Mitte Juni will der Petitionsausschuss des EP in die Region reisen. „Die Via Baltica wird eines der schönsten Naturschutzgebiete Europas nicht antasten!“ Einige polnische Redner merkten allerdings an, dass das EU-Parlament bei der Ostsee-Pipeline, die ebenfalls Naturschutzgebiete stören wird, keine so kritische Haltung einnehme.
Der Bürgermeister von Augustów hat nun einen Kompromiss angeboten: Die EU-Kommission solle dafür sorgen, dass der Grenzübergang zwischen Augustów und Litauen geschlossen wird. Dann werde sein Ort auf die Umgehungsstraße verzichten. DANIELA WEINGÄRTNER
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