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Forsmark-Mängel seit Jahren bekannt

Der Betreiber des schwedischen AKW Forsmark war über die Gefahren, die zum Beinahe-GAU führten, schon lange informiert. Kontrolleure warnten vor Risiken bei Personal und Sicherheitsprozeduren. Doch Vattenfall ignorierte die Hinweise

AUS STOCKHOLMREINHARD WOLFF

Schwere Sicherheitsmängel, die mit zu dem Beinahe-GAU des schwedischen AKW Forsmark 1 im Juli 2006 beitrugen, waren dem Reaktorbetreiber Vattenfall schon seit Anfang 2005 bekannt. Doch Vattenfall hat nichts gegen die Bedrohung unternommen.

Die Mängelliste wurde bereits vor zwei Jahren von der internationalen Branchenorganisation der AKW-Betreiberfirmen Wano (World Association of Nuclear Operators) zusammengestellt. Die Kritik der Wano-Kontrolleure deckt sich in wesentlichen Punkten mit dem internen Sicherheitsrapport, der in der vergangenen Woche bekannt geworden war. Diesen Bericht versuchte der Betreiber Vattenfall zunächst als einsame Kritik dreier Techniker zu verharmlosen.

Wano mit Sitz in London war als Reaktion auf die Tschernobyl-Katastrophe von AKW-Betreiberfirmen gegründet worden. Die Organisation bietet ihren Mitgliedsfirmen seit 1991 die Überprüfung ihrer Anlagen durch ein internationales Expertenteam an, das die Reaktoren und das Personal vor Ort zwei Wochen lang gründlich kontrolliert. Die Berichte, die danach verfasst werden, sind vertraulich und werden auch nicht den staatlichen Aufsichtsbehörden zugänglich gemacht. Laut letztem zugänglichen Jahresbericht dieser Organisation (www.wano.org.uk) kontrollierten Wano-Teams so beispielsweise 2005 die deutschen AKWs Brokdorf, Biblis und Unterweser.

Das schwedische AKW Forsmark war 2004 unter die Lupe genommen worden. In dem vertraulichen Dokument, das Vattenfall Anfang 2005 schriftlich erhielt, waren damals Mängel in mindestens drei Bereichen festgestellt worden, die sich bei der Havarie im Juli 2006 tatsächlich als verhängnisvoll erweisen sollten: die Sicherheitskultur des Personals, die Prozeduren der Revisions- und Unterhaltungsarbeiten und die Routinen im Zusammenhang mit dem Austausch von Komponenten. Vattenfall-Forsmark hatte in seinem eigenen Störfallbericht im Spätsommer letzten Jahres schwere Fehler eingeräumt. Dazu gehörte das unentdeckt gebliebene Vertauschen von Plus- und Minus-Pol, fehlerhafte Montagen sowie unzureichende Kontrollen nach Reparaturen. Sie alle spielten beim Beinahe-GAU eine Rolle.

Forsmark-Informationschef Claes-Inge Andersson gestand am Dienstag die Wano-Kritikpunkte von 2005 nicht nur grundsätzlich zu. Er räumte auch ein, dass diese zu einem Teil nach wie vor nicht behoben seien: „Es gibt verschiedene Punkte, bei denen wir noch nicht so weit gekommen sind wie erwünscht.“

In der vergangenen Woche bekam das Forsmark-AKW wieder Besuch: Ein Wano-Team hatte sich angekündigt, um die aktuelle Sicherheitslage zu überprüfen.

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