: Moskau ist in Berlin
Zähe Ringer: Eine Sonntagsmatinee mit Robert De Niro und Volker Schlöndorff in der American Academy
Volker Schlöndorff redet gerne, Robert De Niro nicht. Deshalb war es keine gute Idee, die beiden zu einer Sonntagsmatinee in die American Academy zu bitten. Schlöndorff gab zwar unumwunden seine Nervosität zu, doch offenbar gilt: Je nervöser, umso gesprächiger.
Deshalb war in der Villa am Wannsee viel über Schlöndorffs Ansichten zu De Niros Film „The Good Shepherd“ zu erfahren, viel über seinen Blick aufs Regiehandwerk und die Schauspielerei, auf Lee Strasberg und Stella Adler, auf Neurosen und George Bush. Aus De Niros Mund kam wenig – und jedes Mal, wenn sich ein Gedanke entwickeln, eine These entfalten wollte, fiel Schlöndorff schon etwas Neues ein, das dringend der ausführlichen und umständlichen Darlegung harrte.
Matt Damon, der in „The Good Shepherd“ die Hauptfigur, den unscheinbaren CIA-Agenten Wilson, spielt, war auch zugegen, genauso wie Martina Gedeck, die in De Niros Film einen Kurzauftritt hat. Damon saß zunächst im Publikum, bis für ihn ein Stuhl herbeigetragen wurde. Schlöndorff und De Niro versanken in ihren Lederfauteuils, hinter ihnen öffnete sich der Blick auf den Wannsee und die Winterlandschaft. Damon musste wie ein Kind neben dem Tisch der Erwachsenen Platz nehmen – und kam dementsprechend selten zu Wort. Dabei fiel es ihm zu, eine schöne Entzauberung jedweder Berlin-Besoffenheit zum Besten zu geben. Ja, Berlin sei ein toller Ort zum Drehen; für „The Bourne Identity“ (2002) sei er in der Stadt gewesen, für „The Good Shepherd“ und jetzt gerade wieder, vor zwei Wochen erst, für „The Bourne Ultimatum“. Die Studios in Babelsberg böten, was Hollywood auch biete. Und die Stadt liefere eine großartige Kulisse. „Wir benutzen sie als Berlin, wir benutzen sie als Moskau oder als irgendeinen anderen Ort östlich von Berlin.“
De Niro erzählte kurz, wie er 1964 über die Transitstrecke nach Westberlin trampte, einen Tag in Ostberlin verbrachte und dort ein Theater besuchte. Als er vor einiger Zeit in der renovierten Volksbühne gewesen sei, sei die Erinnerung an damals klar zurückgekehrt. Schlöndorff: „Na, dann kann es nicht die Volksbühne gewesen sein, die verfällt nämlich immer noch.“ Jemand aus dem Publikum wollte wissen, woher De Niros Interesse am Kalten Krieg rühre. „Ich bin während des Kalten Krieges groß geworden.“ Und: „Die Mauer, die Teilung, von West nach Ost zu reisen, das war faszinierend und schrecklich zugleich.“
In der Vorbereitungsphase zu „The Good Shepherd“, weiß Schlöndorff, habe sich De Niro mit echten Agenten und ihren Angehörigen getroffen. Wie das war? Darauf De Niro: „Sie erzählen einem nichts, wovon sie nicht wollen, dass man es erfährt.“
CRISTINA NORD
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