: Wandern, ein Wundermittel
GESUNDHEITSCHECK Forschungsergebnisse zeigen: Wandern ist ein hervorragendes Mittel gegen vielerlei körperliches Ungemach. Selbst einige Krankenkassen honorieren das
■ Wandern in Deutschland: Wanderwege, Qualitätswege und Qualitätsgastgeber; Tourentipps, Etappen, GPS-Tracks findet man unter www.wanderbares-deutschland.de
■ Der Deutsche Wanderverband ist der Dachverband der deutschen Gebirgs- und Wandervereine. Rund 600.000 Wanderer sind dort organisiert. www.wanderverband.de
■ Beim Gesundheitswandern „Let’s go – jeder Schritt hält fit“ werden an schönen Plätzen in der Natur gemeinsame Übungen gemacht, die Koordination, Kraft, Ausdauer und Entspannung verbessern.
■ Einige Krankenkassen bezuschussen Gesundheitswanderkurse – die Teilnehmer erhalten einen Teil der Kursgebühren zurückerstattet. Das gilt zurzeit allerdings nur, wenn der Kurs von einem zertifizierten Gesundheitswanderführer mit bewegungstherapeutischer Berufsausbildung (z. B. Physiotherapeut) angeboten wird. Folgende Kassen erkennen das Gesundheitswandern in der Prävention an: AOK, Barmer GEK, DAK, TK sowie einige BKKs.
VON EDITH KRESTA
Gehen, wenn scheinbar nichts mehr geht. Regelmäßige Bewegung weckt die Lebensgeister, fördert die körperliche und geistige Gesundheit: Wandern schützt das Herz, reguliert den Blutfettspiegel, senkt den Blutdruck, kräftigt die Lunge, stärkt die Abwehrkräfte und regt den Stoffwechsel an. Und nicht zuletzt verbessert Wandern die Stimmungslage. Das bestätigt die erste vom Deutschen Wanderverband in Auftrag gegebene Studie von 2010. Wandern also ein Wundermittel?
Auf jeden Fall ein hervorragendes Präventionsmittel, wie die Ergebnisse des Instituts für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg zeigen. Regelmäßige moderate Bewegung sei nicht nur wichtig für Gewicht, den Body Mass Index und Körperfett, sondern hat auch Effekte auf das Kreislaufsystem, das Wohlbefinden und die Vitalität. Damit, sagt Professor Kuno Hottentrott, Leiter der Studie, sei wissenschaftlich belegt, dass durch Wandern die Hauptrisikofaktoren für die Gesundheit deutlich abnehmen und die Gesundheitsressourcen gestärkt werden. Wandern also auch ein Anti-Aging-Programm.
Kein Wunder, dass sich heute Wanderliteratur in den Regalen drängt und auf Bestsellerlisten steht. Der Fernsehredakteur Manuel Andrack spiegelte mit seinem im Jahr 2005 erschienenen und vielbesprochenen Buch „Du musst gehen“ das neue Selbstverständnis des Wanderns. Das als Seniorensport abgestempelte Gehen in der Natur ist längst auch bei Jüngeren beliebt. Gesundheit für die Älteren, Stressentlastung für die Jüngeren.
Zu einem richtigen Trendsport wurde es jedoch mit dem Bestseller des Entertainers Hape Kerkeling, „Ich bin dann mal weg“. Das Buch des Witzboldes –auf Sinnsuche auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela – hielt sich dank insgesamt zwei Millionen verkaufter Exemplare zwei Jahre lang auf dem ersten Platz der Bestsellerliste. Kerkeling machte sich, so lässt er seine Leser wissen, nach gesundheitlichen Problemen, jahrelangem Stress und beruflicher Überforderung auf den Weg.
Viele Krankenkassen erkennen das Deutsche Wanderabzeichen mittlerweile in ihren Bonusprogrammen als Beitrag zur Gesundheitsvorsorge an. Die Versicherten können sich über Geldprämien bis zu 75 Euro oder attraktive Sachprämien freuen.
„Über vierzig Millionen Versicherte in Deutschland können mit dem Deutschen Wanderabzeichen in den Bonusprogrammen ihrer Krankenkasse punkten“, sagt Hans-Ulrich Rauchfuß, Präsident des Deutschen Wanderverbandes. „Damit bestätigen die Kassen, was wissenschaftliche Studien belegen: regelmäßiges Wandern als eine Form moderater Bewegung fördert die Gesundheit.“
Wer das Wanderabzeichen erwerben möchte, besorgt sich bei einem Mitgliedsverein des Deutschen Wanderverbandes den Wander-Fitness-Pass. Darin wird die Teilnahme an geführten Wanderungen und verwandten Aktivitäten wie etwa Radwandern eingetragen. Der Verband hat früh auf die positiven Effekte des Wanderns gesetzt. Mit dem Fachbereich Physiotherapie der Fachhochschule Osnabrück entwickelte der Wanderverband in den vergangenen Jahren das Gesundheitswandern. Mittlerweile bieten 400 zertifizierte Gesundheitswanderführer Touren an. Die Teilnehmer laufen gemeinsam eine bestimmte Route und machen zwischendurch Koordinations- und Entspannungsübungen. Das Gesundheitswandern verbessert Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit.
Die neueste Studie (2014) „Evaluation des Gesundheitswanderns“, ebenfalls vom Institut für Leistungsdiagnostik und Gesundheitsförderung (ILUG) an der Uni Halle-Wittenberg, fragt nach, was das Gesundheitswandern den Menschen bringt. Die Ergebnisse: Über 60 Prozent der Befragten fühlen sich weniger gestresst, seit sie Gesundheitswanderungen machen, und 73 Prozent haben dadurch ein positiveres Lebensgefühl. Ebenfalls jeweils über die Hälfte der Befragten fühlt sich leistungsfähiger im Beruf und im Alltag (52 Prozent) und hat ein besseres Körper oder Selbstwertgefühl (58 Prozent). Jeweils knapp die Hälfte der Befragten berichtete über einen größeren Freundes und Bekanntenkreis (46 Prozent), einen besseren Schlaf (45 Prozent) und weniger gesundheitliche Probleme (49 Prozent) durch das Gesundheitswandern. „Ferner bewegen sich 66 Prozent der Teilnehmer im Alltag regelmäßig, seit sie Gesundheitswanderungen machen, und 53 Prozent achten stärker auf eine gesunde Ernährung“, betont Hottentrott den nachhaltigen Effekt.
„Wandern zeigt aber nur über die Dauer Effekte“, sagt Professor Klaus Völker, der Leiter des Sportmedizinischen Instituts der Uni Münster. „Die meisten wandern aber nur sporadisch.“ Mindestens zwei Einheiten pro Woche à 30 bis 45 Minuten seien nötig, um einen Nutzen für die Gesundheit zu bringen. Doch das beherzigen viele Wanderfreunde nicht: Nach einer Studie des Wanderverbandes wandern zwar fast 40 Millionen Bundesbürger verschiedenster Altersgruppen gern, das ist mindestens jeder Zweite ab 16 Jahren. Aber nur Wanderer ab 60 Jahren sind mehrmals im Monat unterwegs.
Völker appelliert daher, sich für die „domestizierte Variante“ des Wanderns zu entscheiden: Walking. Das beschreibt er als „forciertes Gehen“ in kleiner, aber regelmäßiger Dosis. „Alle drei bis vier Wochen kann man dann eine richtige Wanderung in sein Trainingsprogramm integrieren“, sagt Völker
Ähnlich sieht das Professor Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Ein flotter Spaziergang in der Stadt habe ähnliche Vorteile wie eine Wanderung. Denn wichtig sei die Bewegung als solche – und dafür muss niemand bis zum nächsten Urlaub in den Alpen warten. So weist der Wanderverband auch in flachen Regionen markierte Routen aus, zum Beispiel den 66-Seen-Rundweg um Berlin oder den Nord-Ostsee-Wanderweg von Meldorf nach Kiel.
„Trotz möglicher Glücksgefühle beim Wandern sollten Anfänger die Belastung auf den Körper nicht unterschätzen. Das heißt, man muss dem Körper Zeit geben, sich auf die Anforderungen einzustellen“, weiß Reiner Brämer vom Deutschen Wanderverband. Das Fazit des als Wanderpapst bezeichneten Experten: „Wandern in der Natur ist wie Therapie. Natur ist der einzig unbestrittene Wert, den wir zurzeit haben. Die Sinnpotenzen liegen in der Landschaft.“
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