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In Fukushima droht die Kernschmelze

REAKTORUNGLÜCK Nach der Katastrophe versagen die Kühlsysteme in drei Reaktoren, weil die Infrastruktur zerstört ist. „Wettlauf gegen die Zeit“. Atombehörde: Bislang keine Radioaktivität ausgetreten

BERLIN taz | Japan steht nach dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami möglicherweise kurz vor einem schweren atomaren Unfall. Am AKW-Standort Fukushima an der Ostküste des Landes drohte gestern bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe eine Kernschmelze in mehreren Reaktoren. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Tokyo Electric Power Co. sind Notkühlsysteme und Notstromaggregate ausgefallen. Deshalb geraten zwei Reaktoren nach japanischen Presseberichten außer Kontrolle. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace lief bis Redaktionsschluss „ein Wettlauf mit der Zeit, um die Kernschmelze zu verhindern“.

Nach internen Meldungen der japanischen Reaktorsicherheitsbehörde JNES, die der taz vorliegen, sprangen in allen drei Reaktorblöcken von Fukushima Daiichi die Notstromaggregate nicht an. Offenbar hatten Erdbeben und Tsunami die Transformatoren lahmgelegt, die die Pumpen des Kühlsystems mit Strom versorgen. Als auch die Notstromdiesel nicht die Arbeit aufnahmen, griff die dritte Welle der Sicherung: Die notwendige Kühlung des Reaktorkerns übernahm nach diesen Angaben ein Notkühlsystem (ECCS), das seine Energie allerdings aus Batterien bezieht. Deren Leistung, so hieß es, sei am frühen Freitag Nachmittag MEZ in zwei Blöcken nahezu erschöpft gewesen, das Kühlsystem wurde deshalb abgestellt.

Weiter hieß es, in Block 1 des AKW sei ein Teil des Kühlmittels durch ein Leck aus dem Reaktorraum in die Schutzhülle gelangt. Durch diesen Unfall sei der Pegelstand des Kühlwassers im Reaktor „extrem gefallen“, sagte Christoph von Lieven von Greenpeace Deutschland. Wenn die Brennelemente aber nicht mehr vom Kühlwasser umgeben sind, wächst die Gefahr der Überhitzung. Denn obwohl die Reaktoren automatisch abgeschaltet wurden, müssen sie noch tagelang gekühlt werden, um von ihrer Betriebstemperatur auf ungefährliche Werte herunterzukommen. Die Umweltschützer haben mit ihren japanischen Kollegen Kontakt über das Internet, die Telefonverbindungen sind unterbrochen. „Die Regierung bemüht sich, acht Ersatztransformatoren an den Unfallort zu bringen“, so von Lieven. Gelinge es nicht, die Pumpen wieder anzuwerfen, könne man nur „hoffen, dass es nicht ganz schlimm wird.“ Bis zu einer Kernschmelze seien es dann möglicherweise nur noch „Stunden oder maximal Tage“.

Am Standort Daiichi in der Präfektur Fukushima stehen nach Angaben der World Nuclear News insgesamt sechs Reaktorblöcke. Die Hälfte davon war wegen Inspektion geschlossen, als das Erdbeben passierte, die anderen drei Reaktoren wurden automatisch heruntergefahren. Insgesamt wurden die Atomkraftwerke in Onagawa, Fukushima und Tokai abgeschaltet. Am AKW-Standort Onagawa war ein Feuer in der Turbinenhalle ausgebrochen, das allerdings gelöscht werden konnte.

Beim Deutschen Atomforum, dem Zusammenschluss der deutschen AKW-Betreiber, lagen gestern Nachmittag auf Nachfrage der taz keine weiteren Informationen über die Situation in Japan vor. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien verwies lediglich auf die Information der japanischen AKW-Betreiber, dass es bisher nicht zum Austritt von Radioaktivität gekommen sei. In der knappen Stellungnahme der IAEA wird allerdings darauf verwiesen, dass der Wind gerade vom Festland aufs Meer weht – ein Fallout also nicht über das Land ziehen würde. BERNHARD PÖTTER

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