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„Deutschland ist wie eine Oase“

Die Musiker der dänischen Indie-Rock-Band „Epo 555“ wissen seit ihrer Kindheit im Grenzgebiet, was sie an Norddeutschland haben: Kulturbotschafter war für sie die TV-Werbung in ARD, ZDF und NDR. Und die prägt offensichtlich ein Leben lang

Deutsche Journalisten glauben, der Weg von Dänemark nach Schweden sei kürzer als der nach Deutschland

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Frej, können wir deutsch sprechen?

Ebbe Frej: Ja, aber mein Deutsch ist schlecht geworden, weil ich es nicht mehr so oft höre. Kein Mensch spricht deutsch in Kopenhagen. Aber Mikkel, der Sänger, und ich haben unsere Jugend in zwei kleinen Städten in der Nähe der dänisch-deutschen Grenze verbracht. Ich komme aus Agerskov und Mikkel ist aus Appenrade, das ist eine etwas größere Stadt, 30 Kilometer weg von der Grenze.

30 Kilometer sind gar nicht wenig. Wie hat Sie das Deutsche da erreicht?

Wir haben dort als Kinder viel deutsches Fernsehen gesehen. In Dänemark gab es in den 1980er Jahren nur einen TV-Kanal, und das war’s. In Deutschland gab es ARD, ZDF und NDR. Deshalb verstehen die Leute an der Grenze gut Deutsch. Aber sie sprechen es nicht so gut, weil sie es nur vom Fernsehen her kennen.

Und der Grenzverkehr?

Sicher, wir sind viel an die Grenze gefahren, um einzukaufen. Bier und Cola und Punica. Das haben wir aber nicht in den deutschen Städten gemacht, sondern am Grenzkiosk.

In Dänemark gab es in den 80ern kein Punica?

Nein, Deutschland ist ja viel größer. Es gibt 80 Millionen Einwohner in Deutschland, oder? Dänemark hat nur fünf Millionen. Deutschland ist ein viel größerer Markt und es gibt so viele Produkte, die man kaufen kann. Wenn man da von einer kleinen Stadt mit 1.000 Einwohnern und einem Geschäft kommt, ist Deutschland wie eine Oase.

Eine Punica-Oase.

Genau, so hieß das im deutschen Fernsehen. Die Werbung war immer das Beste im deutschen Fernsehen: Wir haben als Kinder immer Wettbewerbe gemacht, wer als Erstes erkennt, um welches Produkt es geht.

Was zeichnet denn die deutsche Werbung aus?

Sie ist mit viel mehr mit Gesang gemacht als englische oder dänische Werbung. Ich habe viele Werbemelodien aus dem deutschen Fernsehen in Erinnerung.

Welche denn?

Ein guter Spot war der von den Schoko-Crossis. Da gibt es so eine schöne Melodie, die wir immer im Tourbus singen, wenn wir über die Grenze nach Deutschland fahren (singt): „Oh wie verführerisch / Sind Schoko-Cro-ho-siiis. Mandelfein köstlich. Und einzigartig. Wie sie zerschmelzen – und dabei knuspern / Unwiderste-he-lich Schoko-Crossis.“ Erinnern Sie sich?

Ich erinnere mich, ja.

Wir singen jeden Tag deutsche Werbemelodien auf der Autobahn, wenn wir auf Tour in Deutschland sind.

Da hat die deutsche Werbemaschine ja mittlerweile einiges Neues zu bieten. Aktualisieren Sie denn Ihr Repertoire?

Nein, das mit der Werbung ist wie ein Traum aus der Kindheit. Man sollte dem keine neuen Eindrücke hinzufügen. Ich kann mich nur an die alten Spots erinnern, weil ich nie neue gesehen habe. Auch die deutsche Sprache ist wie ein Kindertraum für mich.

Gibt es außer dem Fernsehen einen deutsch-dänischen Kulturaustausch, den man an der Grenze erlebt?

Ich habe vor „Epo 555“ in einer Dixieland-Band gespielt, die auch viel in Deutschland aufgetreten ist. Aber sonst werden deutsche und dänische Musik als sehr verschieden wahrgenommen. Wir merken das, wenn wir mit deutschen Journalisten sprechen: Für die ist das, was wir machen, exotisch. Sie denken, dass unsere Musik aus einem skandinavischen Zusammenhang kommt. Sie glauben, dass der Weg von Dänemark nach Schweden kürzer ist als der von Dänemark nach Deutschland. Das liegt daran, dass die meisten Leute in Dänemark nicht gut deutsch sprechen und Deutsche nicht dänisch. Dabei sind wir durchaus auch von deutschen Bands wie „The Notwist“ inspiriert.

Welcher Markt in Europa ist am wichtigsten für Ihre Band?

Das ändert sich. Gerade ist es der deutsche, daran arbeiten wir. Aber es ist ein harter Markt: Keine dänische Band hat bis jetzt viel in Deutschland verkauft. Aber es gibt auch keine deutsche Independent-Rock-Band, die in Dänemark viel verkauft hätte. Es besteht keine großartige Verbindung zwischen beiden Ländern. Ich hoffe, wir können das ändern. Aber einen großen Durchbruch wird es sowieso nirgends geben, weil unsere Musik nicht für MTV gemacht ist, sondern für ein kleineres Publikum.

Wie würden Sie Ihre Musik denn beschreiben?

Es ist Rockmusik, gemischt mit guten elektronischen Ideen, Geräuschen und Pop.

Wie bekannt sind Sie in Dänemark?

Wir sind keine Stars, aber die Leute kennen uns schon. Wobei es ziemlich gewöhnlich ist, wenn dich jemand auf der Straße wiedererkennt, weil Dänemark so ein kleines Land ist. Man trifft dort ständig Leute, die man kennt.

Nächstes Konzert im Norden: 24. 2., 22 Uhr, Hamburg, Übel & Gefährlich

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