ortstermin: British American Tobacco stellt ein Belüftungssystem vor: Bitte tief durchatmen!
In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze am Rande des Nachrichtenstroms
Das einzig Bewegte am Einstein ist die schiefe Leuchtschrift über dem Eingang. Ansonsten deutet an dem weiß verputzen Restaurant in Wedel wenig darauf hin, wie wichtig es für den Tabakkonzern British American Tobacco (BAT) ist. Hier soll nämlich ein entscheidender Schritt getan werden im Kampf um die Lufthoheit über Deutschlands Kneipentischen.
Am Montag hatte BAT ins „Einstein“ eingeladen, um seine neueste Waffe vorzustellen: eine moderne Belüftungsanlage. Sie soll Restaurants und Kneipen so effektiv mit frischer Luft versorgen, dass das heiß diskutierte Rauchverbot in der Gastronomie überflüssig wird, so die Hoffnung des Tabakkonzerns, der mit Marken wie Gauloises und Lucky Strike ein Viertel des deutschen Zigarettenmarktes bedient.
Tatsächlich ist die Luft im Restaurant besonders frisch. Nachmittags um fünf sind aber auch nur wenige Gäste da, und es wird kaum geraucht. Die Vertreter des Unternehmens stehen bereit, um die Anlage anzupreisen. Die ist ziemlich unauffällig: Lediglich an der Decke des Restaurants sind die Luftauslässe zu sehen, die ständig frische Außenluft in den Raum leiten. Vor der Bar münden die Kanäle, die die Raumluft nach außen leiten, in die Decke.
Die Probe aufs Exempel ist aber erst möglich, als sich eine Vertreterin von BAT bereit erklärt, zu Anschauungszwecken am Journalistentisch zu rauchen. Der Qualm-Effekt ist tatsächlich geringer als gewohnt. Die Zigarette ist eindeutig zu riechen, das hört aber schnell auf, nachdem der letzte Zug genommen ist. Den überzeugten Nichtraucher stört der Qualm trotzdem, denn die Entlüftungsanlage ist an der Raumdecke montiert – und da muss der Rauch erst mal hin. Sitznachbarn und Kellner kommen also ums Passivrauchen nicht völlig herum.
Betriebsleiter Metin Yaldiz ist trotzdem sehr zufrieden mit der Anlage: „Die Nichtraucher werden nicht mehr von den Rauchern gestört, und Personal und Gäste fühlen sich wohl.“ Seltsam, dass es trotzdem immer noch einen gesonderten Nichtraucherbereich gibt. Yaldiz erklärt, dass sich einige Besucher trotz der Belüftung im gesonderten Nichtraucherbereich wohler fühlten. Reine Psychologie? Wohl nicht, denn wie der Selbstversuch zeigt, macht es immer noch einen Unterschied, ob der Sitznachbar raucht oder nicht.
Das untermauern auch die Zahlen, die BAT vorlegt: 83 Prozent der befragten Nichtraucher fühlen sich im Restaurant nicht durch Rauch belästigt. Mit anderen Worten: Fast jeden fünften stört der Qualm – trotz modernster Belüftungstechnik. Das Deutsche Krebsforschungszentrum, Gegenspieler der Tabaklobby, glaubt ebenfalls nicht an den deus ex machina in Gestalt einer Abluftröhre. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass auch modernste Belüftungstechnik in Raucherkneipen keine schadstofffreie Raumluft garantieren könne. Egal wie der Kampf um den gesetzlichen Nichtraucherschutz ausgeht – die Tabakindustrie wird die Wirte überzeugen müssen, in eine Anlage zu investieren. Laut BAT kostet das rund 15.000 Euro – dafür müssen einige Biere gezapft werden.
Karin Christmann
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