: Wenn der Pilot Kevin heißt
MUSIKKABARETT Pigor & Eichhorn kreisen auch in ihrem neuen Programm wieder um ihre Urthemen, lassen sich aber dieses Mal auch mit Jazzern ein
Der Lichtkegel ruht auf Thomas Pigor, der sich in seinem Stuhl zurücklehnt und darüber sinniert, warum er mal wieder ganz allein am Tisch sitzt. Ach ja, weil alle anderen zum Rauchen rausgegangen sind und ihn zurückgelassen haben, damit er den Tisch frei hält. So fühlt er sich wie „ein Platzhalter, der weint“.
Das einmal mehr schlicht mit „Volumen 7“ betitelte Programm von Pigor und seinem treuen Begleiter Benedikt Eichhorn kreist um jene Urthemen, die den Wortkünstler seit jeher umtreiben: die Einsamkeit unter Rauchern, am Tresen, an der Wursttheke oder unter jungen Eltern. Neu ist, dass sich Pigor und Eichhorn, der Sancho Panza am Piano, zwei Jazzmusiker zur Seite gestellt haben: den Schlagzeuger Emanuel Hauptmann und den Posaunisten Stefan Gocht. So hoffen sie, Begriffe „Kleinkunst“ und „Kabarett“ endgültig zu entsorgen, um an deren Stelle „The Birth of The Cool Cabaret“ ausrufen zu können.
Ist es wirklich schon 15 Jahre her, dass Pigor & Eichhorn ihren „Salon-HipHop“ begründeten? Der Wille zur musikalischen Abwechslung hat bei ihnen jedenfalls Tradition: Mal ließen sie sich vom Backgroundchor der „Pigorettes“ begleiten, ein anderes Mal holten sie einen Laptop-Nerd namens „der Ulf“ dazu, der ihnen zeitgemäße Elektrobeats lieferte. Nunmehr ist es der Clash of Cultures „Jazz versus Cabaret“, der den gewohnheitsmäßigen Kleinkrieg zwischen dem Sänger und dem Pianisten etwas an den Rand drängt. Wie staunende Schüler schauen die beiden Chansonniers zu den beiden Jazzern auf, die, desinteressiert am Bühnengeschehen, lustlos an ihren Smartphones herumspielen – immer auf der Suche nach neuen Grooves, wie Pigor vermutet.
Vielleicht liegt es daran, dass Pigor für SWR 2 inzwischen regelmäßig einen „Chanson des Monats“ textet und komponiert, dass der Aktualitätsbezug vieler Stücke zugenommen hat. So gibt es zum „Superwahljahr 2011“ einen „Wutbürger“-Song, denn: „der Wutbürger ist in diesem Jahr der Souverän“. Und es gibt einen bayrisch klingenden Reigen, der die medialen Erregungen der letzten Monate – Sarrazin, Guttenberg – zu einem immer schnelleren Schunkelrhythmus nachzeichnet. Das ist zwar treffend, aber nur von begrenzter Haltbarkeit.
Dabei sind es gerade die genauen Alltagsbeobachtungen, die am meisten über den Kulturwandel aussagen. Einen größeren Teil des Programms widmet Pigor der Verhunzung der englischen Sprache durch das Global Pidgin, in dem er den heimlichen Triumph der Weltkriegs-Verlierer über den feinen Oxford-Akzent der Siegermacht erkennt. Fazit: „The language of Shakespeare you can smoke in the pipe.“ Eichhorn berichtet, welches Repertoire er in seinem Nebenjob als Hochzeitspianist draufhaben muss: Elton John, Grönemeyers „Halt mich“ oder „Wir sind Helden“. Und maliziös malt sich Pigor aus, was wohl passiert, wenn die katholische Kirche einmal beschließen sollte, das Zölibat abzuschaffen – werden sich dann die Gräber öffnen und die toten Priester für ihre erlittenen Entbehrungen rächen?
Wieder einmal wartet Pigor mit schönen Wortneuschöpfungen auf: etwa „olfaktorisches Rowdytum“ für Menschen, die ihre Umwelt belästigen, indem sie zu starkes Parfüm auftragen. Und Hitpotenzial wie der „Heidegger-Song“ besitzt zweifellos der paranoide Flugangst-Rap mit dem sprechenden Titel „Piloten lügen“. Leider entspricht das Stück bestenfalls der Dauer eines Inlandsflugs von Berlin nach Hannover. Dabei ist es so gut, dass man sich davon eine Langstreckenversion herbeiwünscht.
DANIEL BAX
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