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Wilhelm Tacke empfiehltLiebe und Revolution

„Liebe und Hass“, „Liebe und Tod“, das sind die Assoziationen, die dem gemeinen Bremer landläufig zum Stichwort „Liebe“ einfallen. Aber „Liebe und Revolution“? Wer kommt denn auf die Idee? Na, der kleine Mann mit der Baskenmütze und dem grauen Bart. Der aus Mittelamerika, Ernesto Cardenal, 82.

Allerdings ist nicht ganz klar, ob beides zusammen oder hintereinander in seinen Gedichten vorkommt, die er am Freitag im Theater am Goetheplatz liest. Denn in der Ankündigung heißt es, er rezitiere: „Gedichte von Liebe, Mystik und Revolution“. Das beschreibt in Andeutungen den Cardenalschen Lebensweg. Machte er sich doch zunächst als Mönch (Mystik) und Armenpriester (Liebe) einen Namen, bevor er sich für die Revolution der Sandinisten begeisterte, denen als Kultusminister diente. Dafür ließ er sich vor den Kameras der Welt von Papst Johannes Paul II. auf dem Flughafen von Managua öffentlich abwatschen und musste danach sein Ordenshabit an den Nagel hängen. Klar, dass unser aller Henning die Schirmherrschaft der Lesung übernimmt, die von der „Grupo Sal“ musikalisch umrahmt wird.

Der Lange hat schließlich in seiner Sturm- und Drangzeit als Kaffeepflücker die dortige Revolution nach Kräften stabilisiert. Und er ließ auch danach das Kümmern um die Nicas nicht, warf für die Kirchengemeinde Waslala in der nicaraguanischen Pampa sein weihnachtliches Scherflein in den Klingelbeutel der Stadtgemeinde Johannes XXIII. und leitet jetzt das Nicaragua-Hilfsprojekt „pan y arte“ als Nachfolger des Alt-68ers Dietmar Schönherr – kurzum: Die Cardenalsche Lesung ist eine Pflichtveranstaltung für alle realen oder Titular-Kaffeepflücker, alle Sympathisanten der sandinistischen Revolution, alle VerehrerInnen der Cardenalschen Poesie sowie die Fans der Befreiungstheologie.

Freitag, 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz

WILHELM TACKE ist Pressesprecher der Katholischen Kirche Bremen

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