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GEORG LÖWISCH UNBELIEBTKein Gruppenbild mit Mappus

Die CDU in Baden-Württemberg ist der unterhaltsamste Landesverband – nur der Chef ist eine Spaßbremse

Der Minister hatte seinem Parteifreund eine gescheuert. Davon handelte mein erster Artikel über die CDU in Baden-Württemberg. Das sagt schon viel. Der Landesverband ist so groß und hat so lange regiert, dass er eine ganze Welt in sich birgt. Vom oberrheinischem Liberalkatholizismus zum schwäbisch-protestantischen Pietkong; vom mainfränkischen Wirtschaftsjuppie zum Ordnungspolitiker in Heidelberg; vom Naturschützer am Bodensee bis zum Autoanbeter in Metzingen; vom schwulen Rechtsanwalt in Stuttgart bis zur düsteren Wissenschaftsfeste von Weikersheim. Sie zanken und vertragen sich – und ergeben so ein wunderbares Wimmelbild, in das man immer wieder detailversessen Orte und Figuren hinzumalen kann. So ist die CDU in Baden-Württemberg mein Lieblingslandesverband geworden.

Gerade haben sie in der Partei Muffensausen, weil die historische Niederlage droht. Aber viele würden dem Ministerpräsidenten Stefan Mappus eine Blamage auch von Herzen gönnen. Nicht weil er außerhalb der CDU so unbeliebt ist. Sondern weil sie ihn selber nicht leiden können.

Ich treffe einen CDU-Mann aus Baden-Württemberg zum Abendessen in Berlin. Mein Gegenüber ist mein Lieblingsinformant aus dem Lieblingslandesverband, nie so mutig, dass man seinen Namen nennen durfte, aber dafür hat er mir jahrelang den feinsten Klatsch über den damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger aufgetischt, die Pannen und Lügen und Rosenkriege. Jetzt ist Oettinger weg, und mein Doppelliebling könnte zufrieden sein. Soll er mal erklären, was an Stefan Mappus gut ist. Aber noch vor der Suppe sagt er: „Wenn Mappus gewinnt, stirbt die Partei.“

Er lässt den Satz vor sich in der Luft aufsteigen, erfreut, dass er mich verdutzt hat. Dann redet er weiter. Mappus sucht den Erfolg durch Alleingänge und Kommandos. So ist es in der Atompolitik, so war es bei den Protesten gegen Stuttgart 21. So wäre es nach einem Sieg mit der Partei, er würde sich alles unterordnen. Es klingt fürchterlich plausibel. Mein buntes Wimmelbild würde ausgetauscht. Gegen ein Amtsstubenporträt von Mappus. Wir schweigen.

Und wenn er verliert?

Wir malen auf einen Zettel die Parteifamilien. Zuerst Oettingers alte Seilschaft: der Fraktionschef im Landtag, der Vizepräsident des EU-Parlaments, die Stuttgarter Kulturbürgermeisterin, Matthias Wissmann vom Autoverband, der Chef der Jungen Union – und Willi Stächele, der umtriebige Finanzminister, der mal gern ganz oben stünde. Gerechnet werden muss aber auch mit den Schäubles, die schon früher im Notfall in die Landespolitik herabgestiegen sind und ihr Gewicht einbringen können. Drittens die Alt-Teufelianer um den Alt-Ministerpräsidenten, zu denen der beliebte Alt-Finanzminister Stratthaus zählt, ein Fraktionsvize aus dem Bundestag und Stefan Teufel, Erwins Neffe. Bisher haben die Teufelianer Mappus gestützt, aber wenn er verliert, bleiben ihm wenige Getreue. Vielleicht ruft ihm Gerhard Mayer-Vorfelder eine Durchhalteparole zu. Volker Kauder, Unionschef im Bundestag, muss überlegen, ob er Mappus abschreibt, obwohl er der Patenonkel von dessen Sohn ist. Tanja Gönner, die Umweltministerin, wird auf eigene Rechnung spielen und auf ihre Mentorin Angela Merkel hoffen.

Es würde toben und schillern auf dem Wimmelbild, bunter als je zuvor.

Der Autor leitet die sonntaz Foto: Wolfgang Borrs

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