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Director’s Cut

Christin Losta zeigt ihre Fotografien der Haute-Couture-Produktion im Museum für Angewandte Kunst in Köln

Das Handwerk des Schneiders erfordert messerscharfe Präzision. Nadel, Faden und Schere nehmen Maß, spitzen Körperlinien zu, trennen und verbinden Stoffe. Sein Können hat ihm über die Jahrhunderte wenig Prestige beschert, der Volksmund nennt das: arm wie ein Schneider.

Ganz anders präsentiert sich die Haute Couture. Das klingt nach Blitzlichtgewittern, teuren Kreationen, Supermodels. Christin Losta kennt das, sie arbeitet für Vogue, Elle und Vanity Fair. Mit „Toute la collection“ wirft die in München lebende Fotografin einen Blick auf die Mode, der den Glamour der Branche bewusst außer Acht lässt. Die rund achtzig Fotografien im Museum für Angewandte Kunst sind ihre Hommage an die handwerkliche Meisterschaft richtungsweisender Designer wie Christian Dior, Christóbal Balenciaga oder Jean Paul Gaultier.

Auf ihrer Suche nach Eindrücken und Stoffen hat Losta berühmte Modesammlungen von Zürich bis New York durchstöbert. „Ich habe jahrelang versucht herauszufinden, was eine sehr feine Qualität ist, das hat mit meiner Heimatstadt Wien zu tun“, sagt Losta. Sie ist davon überzeugt, dass handwerkliche Übung und künstlerische Qualität einander bedingen. Nur wer eine Bewegung unzählige Male wiederholt, dem gelingt der große Wurf, diese Haltung hat gerade in Wien Tradition: Im diszipliniert-lässigen Klima der Stadt entwickelten vor hundert Jahren die Sezessionisten um Gustav Klimt zusammen mit den Wiener Werkstätten neue Maßstäbe für eine produktive Verbindung von Handwerk und Kunst.

Losta schreibt mit dieser Ausstellung ihre ganz persönliche Modegeschichte: Fotografiert ein zartrosa Etuikleid, das Gertrud Höchsmann, die Grande Dame der Wiener Coutureszene der 1960er-Jahre, aus Crèpe-de-Chine-Bahnen luftig und doch fest ineinander verwoben hat, in seiner sachlich-zarten Poesie. 2005 hält sie im Deutschen Tanzarchiv in Köln ein brüchig gewordenes Tanzkostüm des Modepioniers Paul Poiret vom Anfang des letzten Jahrhunderts fest. Die Gruppe von Figurinen im Metropolitan Museum of Art macht grundlegende Parameter der Schneiderei sichtbar: Maße, Proportionen, Modelle des Körpers. Und dann funkeln da noch schwarze Schmuckaccessoires auf einer weißen Gautier-Schneiderpuppe. Für Losta zählt nur der Stoff, Menschen tauchen in ihren Inszenierungen am Rande auf. Die Komposition der Bilder vollzieht den Bauplan eines gelungenen Kleides nach: Achsen, Farben, Details, das alles ist traumhaft sicher ausbalanciert.

URSULA HÄRTLING

Bis 25. März, Katalog 19 Euro

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