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„Das junge Theater ist zu brav“

Werner Schroeter gilt neben Rainer Werner Fassbinder als einer der bedeutendsten Filmregisseure der deutschen Nachkriegszeit. Seit 1972 macht er auch Theater- und Operninszenierungen. Die taz sprach mit dem Regie-Star

taz: Was reizt an dieser Oper?

Werner Schroeter: Zunächst einmal der englische Humor, zu dem ich einen guten Zugang habe. Dann natürlich das Sujet und die exzentrische Figur der Herzogin, die eine sehr individuelle Emanze ist, absolut kein mittelmäßiger Mensch. Ja, ein Star.

Und des Pudels Kern?

In acht Szenen zieht ihr ganzes Leben vorbei, Fantasiegestalten treten auf. Doch im Kern geht es um den Kampf ums Ich, um die Selbstwerdung.

Wo stehen Sie heute im Vergleich mit jungen Kollegen?

Viele junge Regisseure, deren Arbeit ich sehen konnte, machen aus meiner Sicht ur-konventionelles Theater. Das junge Theater greift häufig zurück auf die Moden der Mitt-Sechziger, dieses typische Genuschel. Damals galt Undeutlichkeit als elegant, heute ist es wieder so. Auch die Coolness wurde in den Sechzigern erfunden. Aber mit Coolness transportiere ich keine Leidenschaften. Und um nichts anderes geht es doch im Theater.

Junges Theater ist Ihnen also heute viel zu brav?

Auf jeden Fall. Ich sehe jenseits oberflächlicher Provokationen wenig wirklich Aufmüpfiges bei jungen Kollegen. Auch der Einsatz medialer Techniken ist längst langweilig geworden. Bei Frank Castorf war der Einsatz von Videotechnik innovativ und bei ihm ist es immer noch originär und authentisch. Die anderen kopieren nur.

Was fehlt denen?

Ich vermisse Leidenschaft, Querdenken und das sich Behaupten im künstlerischen Umfeld einer a priori feindseligen Gesellschaft. Man fühlt sich einfach zu wohl in den Gegebenheiten.

Sie mussten krankheitshalber eine einjährige Schaffenspause einlegen. Wie ist es, wieder zur arbeiten?

Die künstlerische Äußerung, der ganze Prozess ist immer schon sehr anstrengend gewesen. Notwendig, aber anstrengend. Aber Arbeit ist Leben.

INTERVIEW: REGINE MÜLLER

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