: Konzentriert zusammengeschraubt
TEMPORÄR Im „Küchenmonument“ des Raumlabors Berlin, einem begehbaren Luftbeutel vor der Berlinischen Galerie, baut man gemeinsam Möbel, isst und diskutiert übers Wohnen und über die Stadt
VON SASKIA HÖDL
Vor der Berlinischen Galerie in der Alten Jakobstraße steht etwas, das ein wenig aussieht wie ein klein geratener Zeppelin aus weißer PVC-Plane. Im Inneren kann man durch das transluzente Material die Umrisse von Personen erkennen. „Küchenmonument“ heißt der überdimensionale Luftbeutel, der durch ein mit Filz ausgekleidetes Foyer und über einige Stufen begehbar ist. Ein Ventilator bläst Luft in das Innere, eine Fläche von etwa 200 Quadratmetern ergibt sich, weil die Plane am Boden mit gefüllten Kanistern, die als Gewichte dienen, fixiert ist. Innen ist es hell, ein paar Kinder laufen lachend im Kreis, und die Plane bewegt sich leicht im Wind.
„Das Küchenmonument funktioniert wie ein Zelt“, sagt Andrea Hofmann, Architektin bei Raumlabor Berlin, als sie gefragt wird, wie witterungsbeständig die Skulptur sei. Es eigne sich aber besser für schattige Tage, sagt sie, denn bei praller Sonne könne es doch etwas heiß werden. Das Küchenmonument ist mobil und stand schon in Liverpool, Duisburg, Utrecht und Venedig. Nun soll es in Berlin Raum bieten, während die Berlinischen Galerie noch bis Frühjahr 2015 umgebaut wird. Das Zelt umschließt einen temporären sozialen Raum, an dem es um Begegnung und Kommunikation geht. An vier Terminen können Interessierte aktuelle Themen zu Raum und Stadt diskutieren, miteinander essen und sich austauschen. Ganz passend dazu die optische Unaufdringlichkeit der Skulptur.
Der erste Termin dreht sich ganz um die Möbel des Raumlabors Berlin. Auf dem gelben Vorplatz der Berlinischen Galerie begrüßt Direktor Thomas Köhler die Gäste zwischen mehreren Stapeln Holzbretter. Schrauben und Akkubohrer stehen auch schon bereit, denn die Besucher sollen Stühle und Tische aus der Raumlabor-Selbstbau-Möbelkollektion nachbauen. Die Konstruktionen sind schlicht gehalten, trotzdem gibt es Anleitungen – zu wenige für den Andrang, wie einer der Helfer bald bemerkt und den nächsten Kopierer sucht. Immer mehr Besucher kommen an und melden sich zum Möbelbau, irgendwann hört man nur noch Murmeln und das Surren der Akkuschrauber.
Auf der anderen Seite des Küchenmonuments bereiten schon zwei Köche an einer mobilen Küchenzeile und mit der Unterstützung einiger Gäste das Essen vor, das abends im Küchenmonument auf den selbst gebauten Möbeln kredenzt werden soll. Nachbarn und Schaulustige stehen bald um die werkenden Besucher herum und selbst die anwesenden Kinder legen mit Hand an. Die Ergebnisse ähneln sich natürlich, aber es sind Einzelstücke. „Wir bieten Vorgaben, aber es entstehen trotzdem immer wieder Free-Style-Konstruktionen, von denen wir uns auch gerne inspirieren lassen“, sagt Andrea Hofmann. Die Möbel werden sehr konzentriert zusammengeschraubt, immerhin dürfen die Stücke nach dem gemeinsamen Bauen, Kochen und Essen mit nach Hause genommen werden.
Die nächste Veranstaltung im Küchenmonument handelt von einem ganz anderen Thema. Sie wird sich um Städte drehen, die ihre Flüsse zurückerobern. Anlässlich aktueller Entwicklungen rund um die Museumsinsel sind die Akteure von Flussbad Berlin e. V. und Berges de Seine Paris dazu eingeladen, über mögliche Nutzungsformen zu diskutieren. Bei der dritten Veranstaltung wird wieder gegessen, thematisch allerdings geht es nur theoretisch ums Bauen: Das diskursive Dinner mit Raumlabor Berlin soll sich um Fragen des Lebens und Wohnens drehen. Beim letzten Termin wird es um urbane Gärten gehen. Darüber erzählen werden die Landschaftsarchitekten des Atelier le balto und Brigitte Franzen, Direktorin des Ludwig Forums für internationale Kunst in Aachen.
■ Alte Jakobstraße 124–128. Weitere Termine am 15. September um 19 Uhr, am 17. September um 18 Uhr und am 2. Oktober um 19 Uhr. Eintritt frei, Anmeldung unter kuechenmonument@berlinischegalerie.de
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