: Protest ist manchmal die halbe Miete
WOHNEN Kongress der Mietergemeinschaft soll Start für mehr außerparlamentarische Bewegung sein
Von den Spitzenkandidaten der SPD, Linken und Grünen und deren wohnungspolitischen Positionen halten Berlins Mietaktivisten wenig – zumindest jene, die sich am Samstag im DGB-Haus zur Tagung „Vorsicht, Wohnungsnot“ kamen. Ökonomen, GewerkschafterInnen, Stadtteil- und MieterInnenaktvistInnen aus Berlin, Hamburg und Witten diskutierten über Modelle, wie Wohnen und Leben in der Stadt attraktiv und erschwinglich bleibt.
Im ersten Block ging es um die steuer- und finanzpolitischen Hintergründe der Berliner Wohnungspolitik. Der Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Joachim Bischoff sieht in einer Haushaltspolitik, die Steuererleichterungen für SpitzenverdienerInnen zum politischen Credo erhebt, die Ursache für die gigantischen Einnahmeverluste in den Haushaltskassen.
Bewegung von unten
Die Folgen für den Wohnungsmarkt skizierte Joachim Oellerich von der Berliner MieterInnengemeinschaft. So seien die Mieten seit 2007 in der gesamten Stadt spürbar gestiegen, der Wohnungsneubau seit der Jahrtausendwende nahezu zum Erliegen gekommen. „Immer mehr Haushalte tummeln sich auf einem tendenziell schrumpfenden Wohnungsmarkt“, so Oellerich. Mit seiner wirtschaftsliberalen Wohnungspolitik habe die rot-rote Landesregierung den Wohnungsmarkt sich selbst überlassen. Besonders kritisiert wurde, dass die Landesregierung noch immer leugne, dass es eine Wohnungsnot gibt.
Am Nachmittag ging es um Widerstandsperspektiven, die für Joachim Oellerich nur auf außerparlamentarischer Ebene gesucht werden können. Die zur Wahl stehenden Parteien seien ununterscheidbar geworden. Auch Samira van Zeer von der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel setzte auf die Bewegung von unten und berichtete von einer für den 3. September geplanten Großdemonstration gegen Mieterhöhungen.
Privatisierung gescheitert
Obwohl sie für die SPD zur Abgeordnetenhauswahl kandidiert, fühlte sich Gerlinde Schermer in der Runde sichtlich wohl. Sie werde auch im Abgeordnetenhaus ihre Meinung sagen, und die laute: „Die Privatisierungspolitik aller Senate seit 1999 ist gescheitert“.
Als es im letzten Kongressteil um praktische Widerstandsmöglichkeiten ging, riet Andreas Blechschmidt vom Hamburger Netzwerk „Netzwerk Recht auf Stadt“, das für viele Berliner AktivistInnen Vorbildcharakter hat, zu dezentralen Aktionen. Die haben sich auch in Berlin schon entwickelt. Stephan Thiele stellte das neue Bündnis „Wem gehört Kreuzberg“ vor, das schwerpunktmäßig den Verkauf von Wohnungen im Kiez verhindern will. Auf der Homepage www.sozialmieter.de vernetzen sich BewohnerInnen des abgewickelten sozialen Wohnungsbaus. Am 27. April wird ab 21 Uhr auf dem Boxhagener Platz in Friedrichshain eine Videokundgebung gegen die kapitalistische Verwertung am Arbeitsplatz und im Stadtteil organisiert. PETER NOWAK
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