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Mit viel Potenzial

NACHFOLGE Mit der Auflösung der ALB verschwindet eine der bekanntesten linksradikalen Gruppen Berlins. Die Szene bleibt zwar trotzdem breit aufgestellt – hat aber auch Probleme, Positionen zu entwickeln

Die ALB galt als überregional bekannteste linksradikale Gruppe, gerade bei größeren Aktionen gehörte sie stets zu den relevanten Akteuren. Doch auch wenn Verfassungsschutz und viele Medienberichte sich gern auf die ALB stürzten: Die linke Szene Berlins war und ist breiter aufgestellt, als es dieser Fokus vermuten lässt.

Das eher klassisch-autonome Spektrum decken mehrere kleinere Kiez-Antifagruppen, aber auch berlinweite agierende Zusammenhänge ab wie die Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (ARAB), einst selbst aus einer Abspaltung der ALB hervorgegangen. Die sogenannten Post-Autonomen, eine Strömung, die die Isolation traditioneller linksradikaler Politikansätze zu überwinden versucht und dabei auf langfristige lokale Arbeit ebenso setzt wie auf öffentlich wahrnehmbare Massenmobilisierungen, wird in Berlin vor allem durch die Gruppe Avanti und Für eine linke Strömung (FelS) vertreten, der überregionale Zusammenhang heißt hier Interventionistische Linke (iL). In Berlin treten diese Gruppen in ganz unterschiedlichen Themenfeldern in Erscheinung, vom Energie-Volksentscheid bis zu Mietenkämpfen.

Antigentrifizierungsproteste haben dabei auch über organisierte Gruppen hinaus momentan großes Potenzial. Gruppen wie Kotti & Co, die mit linker Szene eher wenig am Hut haben, bringen bei ihren Demos Menschen auf die Straße, die sich von den klassisch linksradikalen Aufrufen vielleicht nicht angesprochen fühlen. Auch dem Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ gelingt es, über die Szene hinaus Menschen zu gewinnen.

Wie in der ganzen Stadt sind außerdem auch in der radikalen Linken die Flüchtlingsproteste ein großes Thema. Exemplarisch lassen sich hier Stärken, aber auch Schwächen der Szene erkennen: Während die Empörung über den Umgang der Politik mit diesen Protesten weit über organisierte Gruppen hinausreicht und sich etwa bei den Sitzblockaden rund um die Ohlauer Straße und dem damit verbundenen Schulstreik auch viele junge, vielleicht bisher wenig politisch engagierte Menschen einbrachten, waren größere Gruppen nicht nur zuletzt an der Gürtelstraße nur wenig präsent.

Ausgerechnet eine eher für ihre theoretischen, antideutsch orientierten Auseinandersetzungen bekannte Gruppe, die TOP (Theorie, Organisation, Praxis), trat im Kontext der Geflüchtetenproteste kontinuierlich in Erscheinung, zuletzt mit einer Podiumsdiskussion zu den Perspektiven nach den Ereignissen an der Ohlauer Straße. Das eigene Verhältnis zum ausdrücklich selbst organisierten Protest der Flüchtlinge zu finden, scheint dennoch für viele Gruppen eine weiterhin schwierige Aufgabe zu sein. MALENE GÜRGEN

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