: Kanonen bedrohen Nordseewale
In einem Naturschutzgebiet in der Nordsee darf der Konzern Wintershall mit Schallwellen nach Gas und Öl suchen. Vertreibung der Schweinswale befürchtet
HAMBURG taz ■ Die Suche nach Öl- und Erdgasreserven in der Nordsee bedroht die Existenz der vom Aussterben bedrohten Schweinswale. Diese würden „aus ihrem Lebensraum großflächig vertrieben“, befürchtet Karsten Brensing, Meeresbiologe bei der internationalen Walschutzorganisation WDCS. Seit gestern sucht die BASF-Tochter Wintershall dort nach Resten fossiler Energieträger. Sie schickt dafür aus Luftkanonen Schallwellen bis zu einer Lautstärke von 180 Dezibel ins Wasser.
Genehmigt hat die bis Oktober dauernde Suche am Donnerstag das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Dabei seien „alle Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen zum Schutz der Schweinswale getroffen worden“, versichert LBEG-Sprecher Jens von der Eichen der taz. Wintershall beteuert auf seiner Homepage, die Untersuchungen würden „von Experten sensibel gesteuert“.
Das betroffene Areal liegt mitten in der Nordsee in der Nähe der rund 300 Kilometer langen und bis zu 120 Kilometer breiten Doggerbank. Diese Sandbank mit Wassertiefen von durchschnittlich nur 30 Metern gilt als besonders fisch- und artenreich und ist deshalb ein bevorzugter Lebensraum und eine beliebte Kinderstube der nur höchstens 1,80 Meter großen Schweinswale.
Diese einzige heimische Delfinart gilt als in ihrem Bestand bedroht. Nach wissenschaftlichen Schätzungen leben rund 100.000 Kleine Tümmler in der inneren Nordsee und noch mal genauso viele zwischen Irland und Norwegen. Tausende der Meeressäuger aber ertrinken jährlich als Beifang in Fischernetzen.
Der größte Teil der Fläche, die Wintershall nun mit „niederfrequenten Schallwellen“ untersuchen darf, gehört zu Dänemark und Großbritannien. Genehmigungen der dortigen Behörden liegen bereits vor, seit Donnerstag auch die von der LBEG für den deutschen Anteil. Dieser umfasst aber auch den Teil der Doggerbank, der als Schutzgebiet nach der europäischen Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) bei der EU-Kommission in Brüssel angemeldet wurde.
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat deshalb erhebliche Bedenken gegen die Genehmigung. In einer Stellungnahme an die LBEG habe er „die Gefährdung oder zumindest Beeinträchtigung der Schweinswale zumindest nicht ausgeschlossen“, berichtet Rainer Planke, Fachbereichsleiter Ökologie beim Bundesamt. „Das hat die aber wohl nicht sehr beeindruckt.“ Das bestreitet LBEG-Sprecher von den Eichen. „Wir haben die Vorschläge des BfN übernommen“, sagt er. Die Grenzwerte für die Schallwellen seien gesenkt und eine „Sicherheitszone“ eingerichtet worden. Wenn im Umkreis von 1.500 Metern ein Schweinswal gesichtet würde, müssten „die Messungen sofort abgebrochen“ werden.
Delfinschützer Brensing kann das nicht beruhigen. Die „bittere Realität“ sei, dass für die Suche nach Öl- und Gasreserven „Wale mit Luftkanonen aus ihrem Naturschutzgebiet vertrieben werden“. SVEN-MICHAEL VEIT
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