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Trash für Kenner

EURODANCE Der Wiener Wolfram Eckert macht die bratzigen Neunziger wieder clubtauglich

von Hanno Stecher

Die Achtziger sind durch. Gerade im Bereich elektronischer Musik trifft man derzeit oft auf die Stilmittel der Neunziger, die Generation der heute 30-jährigen Musiker und Produzenten entdeckt ihre Jugendhelden wieder. Während sich dieser Trend in den Charts längst durchgesetzt hat – US-Stars wie Lady Gaga oder die Black Eyed Peas setzen derzeit ganz unverhohlen auf Rave-Sounds und Kirmestechnoklänge – tut man sich in subkulturellen Clubkontexten noch ein wenig schwer mit dem Nineties-Revival. Hier orientiert man sich nach wie vor an Synthie-Pop und Italo-Disco, typischen Stilrichtungen der Achtziger.

Doch deren Vorherrschaft wankt, wie das Album des Wiener DJs und Produzenten Wolfram Eckert anschaulich demonstriert. Das Debüt, das er unter seinem Vornamen „Wolfram“ aufgenommen hat, ist eine Reminiszenz an das, was man heute allgemein „Euro-Dance“ oder gerne auch „Euro-Trash“ nennt. Also jenen Konsortenpop, der durch das Medium Musikfernsehen eine ganze Generation prägte und noch heute so manchem beim Gedanken an die eigene Single-Kollektion aus dieser Zeit die Schamesröte ins Gesicht treiben dürfte.

Wolfram lässt es aber ruhig angehen und nähert sich dem prolligen Mainstream-Sound von altbekannten Helden des Genres wie 2 Unlimited, La Bouche oder Culture Beat sehr behutsam. Zwar ist das Album voll von Klängen, die damals in den Charts gang und gäbe waren – seien es kühle House-Keyboard-Sounds oder jene schrägen Synthesizer-Klänge, wie sie damals aus der Rave-Bewegung in die Charts geschwappt sind. Der Rahmen, in welchen diese Elemente eingebettet werden, ist allerdings ein sehr viel „geschmackvollerer“, während sich der Trash-Faktor in Grenzen hält. Stattdessen sind die Tracks kleinteiliger und zurückhaltender strukturiert, die Gesangsparts und Synthie-Melodien komplexer, als dies bei alten Trashpop-Klassikern der Fall war. Selbst auf „Thing Called Love“, dem Herzstück der Platte, für dessen Gesang Wolfram sogar die „Euro-Dance“-Legende Haddaway gewinnen konnte.

Das Album ist einerseits der Versuch, Brücken zu schlagen und die Chartsmusik der Neunziger an aktuelle Clubmusik anschlussfähig zu machen. Gleichzeitig bereitet Wolfram nahezu unironisch bestimmte als „trashig“ geltende Sounds dieser Zeit wieder auf, die jenseits des Mainstreams sonst meist nur mit viel Sarkasmus zitiert werden. Dabei ist es kein Zufall, dass seine Musik mit ihren Synthesizer-Klängen, der Campyness der Songs und ihrem überraschend gedrosselten Tempo bisweilen mehr an die Achtziger als an die Neunziger erinnert. Denn bevor sich der DJ und Produzent dazu entschloss, seinen Vornamen zum Künstlernamen zu machen, hat er unter dem Pseudonym Diskokaine vor allem durch das Auflegen und Produzieren von Synthiepop- und Italo-Disco-Nummern von sich reden gemacht.

Der Verweis auf die Achtziger ist gewollt: Wolframs erklärtes Ziel ist es, „Euro-Dance“ wieder zurück an seine von Disco und früher Housemusik geprägten Wurzeln zu führen. So legt er tatsächlich Querverbindungen offen, die manchem, der mit Euro-Dance seine Teenagerzeit verbracht hat, wohl überhaupt nicht bewusst sind.

Ein gutes Beispiel hierfür ist der von der Disco-Legende Paul Parker gesungene Song „Out Of Control“, dessen Basslauf gleichzeitig an die Spätsiebzigerhymne „I Feel Love“ als auch an typische Kirmestechnosongs wie Snap!s „Rythm Is A Dancer“ erinnert. Damit setzt sich die Platte clever über all jene hinweg, die im „Euro-Trash“ bereits damals den Untergang des Abendlandes gewittert haben, und bietet zugleich eine weitere Hintertür für ein Revival auch jenseits der Charts.

Mag sein, dass diese Übersetzungsarbeit eingefleischten Fans des Genres zu verkopft und um die Ecke gedacht vorkommen wird. Aber denen bleiben ja zum Glück die Charts. Jener Ort, wo sich „Euro-Dance“ ohnehin schon immer am wohlsten gefühlt hat.

Wolfram: „Wolfram“ (Permanent Vacation/Groove Attack)

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