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MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLANDSchluss mit dem Mist

Wenn sich die Kuh auf der Wiese vergnügt, arbeitet der Bauer fast von alleine – auch ohne „Joggingweide“

Es ist so weit. Der Winter ist vorbei. Er endet bei uns auf dem Hof an jenem Tag, an dem die Kühe wieder auf die Weide kommen. Es ist einer der schönsten Tage des Jahres. Den Kühen beim Freudentaumel auf der Weide zuzusehen, Sekunden nachdem sich die Stalltüren geöffnet haben, erfüllt mich jedes Jahr mit einem großen, runden Gefühl der Glückseligkeit.

Im Allgemeinen heißt es oft, der Winter sei für die Bauern eine ruhige Zeit, es gebe kaum etwas zu tun. Auf unserem Betrieb ist das Gegenteil der Fall. Ich empfinde den Winter arbeitsmäßig als viel härter als den Sommer. Im Winter stehen alle Tiere im Stall und müssen rundumversorgt werden. Wenn es sich wie bei uns um alte Stallungen handelt, bedeutet das nicht nur Handarbeit, sondern auch echte Knochenarbeit. Der Bauer (also ich) stinkt wie ein Berber nach Schweiß und Stall und ist mit dem Versorgen der Viechereien so gut wie ausgelastet.

Ganz anders im Sommerhalbjahr. Sind Kühe und Jungvieh endlich auf der Weide, entfallen sämtliche Fütterungs- und Entmistungsarbeiten, und viel öfter hält der Bauer seine Nase in den Wind und genießt die frische Luft. Sicher, es gibt auch im Sommerhalbjahr Arbeit genug, und melken muss ich täglich zweimal, 365 Tage im Jahr, aber es gibt nicht diese immergleiche Bauernzermürbungstretmühle aus Füttern, Misten, Einstreuen. Die Arbeit im Sommer ist abwechslungsreicher, frischer. Säen und ernten. Dabei werden so viele Glückshormone ausgeschüttet, das arbeitet sich fast von alleine. Wenn es denn was wird und nicht kümmert.

Trotz dieser Vorteile der sommerlichen Weidehaltung von Rindern verschwindet die Milchkuh immer weiter von der Weide, jedenfalls in der konventionellen Landwirtschaft. Das ist eine wenig beachtete negative Begleiterscheinung des fortschreitenden Höfesterbens. Die verbleibenden Betriebe und damit auch die Milchkuhherden werden immer größer. Das Land wird im großen Umkreis zusammengepachtet, die Milchkühe müssen wegen des Melkens jedoch in der Nähe des Hofes bleiben. Für zwei- oder dreihundert Kühe hat aber kaum ein Betrieb genug Weidefläche am Hof. Also bleiben die Kühe drin, und der Landwirt karrt auch im Sommer das Futter herbei. Schwachsinn – aber unvermeidbar.

Es gibt noch weitere Umstände, die dafür sorgen, dass die Kühe zunehmend im Stall bleiben. Vielen Hochleistungsmilcherzeugern gilt die Weidehaltung als zu ineffektiv. Die Kuh auf der Weide verplempere zu viel Zeit damit, im Gras zu lümmeln. Während sie im Stall schon aus Langeweile viel Futtermix zu sich nehme und in mehr Milchleistung umsetze. Und mit Einführung automatischer Melksysteme ist die Stallhaltung ohnehin obligatorisch, bei Weidegang würden die Kühe nämlich zu selten den Melkroboter aufsuchen. Das System würde nicht mehr funktionieren, und in der Herde bräche die Anarchie aus. Nette Vorstellung übrigens.

Statt Weidegang erhält die moderne Milchkuh heutzutage Auslauf auf der im Fachjargon genannten „Joggingweide“, meist ein Viereck von etwa zwei Hektar Größe. Da kann sie sich dann die Füße vertreten und sehnsüchtig über den Zaun zum richtigen Gras gucken, das irgendwann gemäht und zu ihr in den Stall gebracht wird. Schöne neue Welt.

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat

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