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Fairer Handel ohne Jutetasche

Heute eröffnet in Lübeck der größte Weltladen Schleswig-Holsteins. Die Betreiber wollen „raus aus der alternativen Nische“ – und liegen damit im Trend: Der Branchenumsatz wächst momentan stark

AUS LÜBECK KARIN CHRISTMANN

Für den Lübecker Weltladen beginnt heute eine neue Zeitrechnung: Raus aus dem kleinen, dunklen Laden, wo sich bisher Kaffee und Honig in den Holzregalen stapelten – Neueröffnung in hellen, modernen Verkaufsräumen, in denen die Produkte professionell präsentiert werden. Sogar Verhandlungen für einen Shop im Shop, den ein Untermieter betreiben will, laufen im Moment.

„Wir wollen raus aus der alternativen Nische und neue Kundengruppen gewinnen“, sagt Anne Elbers, ein Mitglied des Laden-Teams. Auf mehr als 100 Quadratmetern betreiben die LübeckerInnen ab heute den größten Weltladen Schleswig-Holsteins.

Vor mehr als 18 Jahren eröffnete der Vorgänger unter dem Namen „Dritte-Welt-Laden“. Am Anfang gab es vor allem Kaffee, Tee und Jutetaschen. „Viele kauften aus Solidarität und nicht unbedingt, weil der Kaffee besser war als der aus anderen Geschäften“, sagt Elbers. Einen besonderen Anlass für die Lübecker Gründung gab es nicht – „das war einfach damals die Zeit dafür“, sagt Elbers. Seitdem haben sich die Weltläden und die gesamte Fair Trade-Bewegung gewandelt, und konnten so auch überleben, als die Blütezeit der Umwelt- und Friedensbewegungen schon lange vorbei war.

Die neuen Räume in Lübeck zeigen diesen Wandel, fair gehandelte Produkte gibt es mittlerweile aber sogar beim Discounter. Die Vielfalt ist groß: Nudeln, Marmelade, Wein, Gummibärchen und Fußbälle können Konsumenten heute kaufen. Im Februar hat das große Handelshaus Gepa seine auffällig bunt gemusterten Verpackungen entsorgt und stellt nun nach und nach auf ein neues Corporate Design um: unauffälliger sieht es aus, ohne bunte Muster und mit dezenteren Farben – die Gepa-Verpackungen werden bald im Supermarkt zwischen Nestlé und Kraft kaum noch auffallen.

Die Branche profitiert momentan auch vom Bio-Boom, denn immer mehr Produkte sind sowohl bio als auch fair. Für das Jahr 2005 meldete der Dachverband Forum Fairer Handel ein Umsatzplus von 22 Prozent. Doch der Auszug aus der Marktnische hat erst begonnen: Der faire Handel freut sich über hohes Wachstum, hat aber auch noch viel aufzuholen. Nur knapp sechs Prozent der Bevölkerung kaufen regelmäßig fair gehandelte Produkte. Von 100 Tassen Kaffee, die in Deutschland getrunken werden, wird nur eine fair bezahlt.

Diese Quote wird heute in Lübeck zumindest kurzfristig steigen, wenn beim Eröffnungsfest fair gehandelter Kaffee ausgeschenkt wird. Im neuen Laden gibt es jetzt auch Platz für viel Kunsthandwerk, das neue Käufer locken soll. In den Regalen liegen mexikanische Friedenskreise aus Ton und geschnitzte Figuren aus Kenia. Es werden sogar Recycling-Schultüten verkauft, die zwar nicht fair, aber dafür öko sind.

Trotz allen Wandels ist manches gleich geblieben: Das Ladenteam ist basisdemokratisch organisiert – und fühlt sich in der Pflicht, die Menschen des Südens zu unterstützen. „Steter Tropfen höhlt den Stein“, sagt Anne Elbers. Sie freut sich über jede Packung fair gehandelten Kaffees, die verkauft wird, sei es im Weltladen oder im Discounter.

Der Lübecker Weltladen feiert heute ein Eröffnungsfest in den neuen Räumen in der Hüxstraße 83. Beginn um 11 Uhr.

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