: Umstrittene Kameraaugen auf der Schulter
ÜBERWACHUNG Im Innenausschuss der Bürgerschaft sind erhebliche Bedenken gegen die Einführung von Videoaugen auf den Schultern von Polizisten laut geworden. Die könnte ein Freibrief zur digitalen Erfassung der Bevölkerung sein, so die Befürchtung
Die Einführung von Mini-Schulterkameras zum präventiven Schutz von Polizisten vor Angriffen bleibt umstritten. Ursprünglich hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) gehofft, bereits am 8. Oktober von der Bürgerschaft das Okay zum Einsatz der sogenannten Bodycams zu bekommen. Doch die vier Videoaugen, die zunächst für ein Jahr auf dem Kiez erprobt werden sollen, sind das eine. Die damit verbundene Gesetzesänderung des Polizeigesetzes zur Datenverarbeitung (PolDVG), die später einen flächendeckenden Einsatz regeln soll, haben eine noch weitreichendere Dimension. Deshalb verlangen die Fraktionen nun eine Expertenanhörung.
Denn nach der PolDVG-Gesetzesänderung soll es künftig der Polizei möglich sein, zur Gefahrenabwehr oder zur Verfolgung von Straftaten „in öffentlich zugänglichen Bereichen personenbezogene Daten durch den Einsatz technischer Mittel zur Aufzeichnung von Bild- und Tonaufnahmen zu erheben“, sofern es der Schutz von Leib und Leben der Polizisten oder Dritter erforderlich machen.
Für den Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar ist schon der Begriff „technische Mittel“ nicht spezifisch genug. Und er warnt: „Das könnte der Einstieg in eine digitale Überwachung der Bevölkerung sein.“ Denn darunter könnte zukünftig auch der polizeiliche Einsatz von Smart Phones, Google-Eyes oder Drohnen mit Videoaugen fallen, führt Caspar aus.
Der Datenschützer sieht zwar in den Bodycams „durchaus ein sinnvolles Mittel, in Konfliktsituationen zur Deeskalation beizutragen“, zugleich hat er aber auch Bedenken gegen den breiten Einsatzbereich – etwa in Einkaufszentren – und den zusätzlichen Tonaufnahmen, wie sie im Gegensatz zum Pilotprojekt in Frankfurt geplant ist. „Das verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz“, so Caspar. „Wer sich von einer laufenden Kamera von einem Angriff nicht abschrecken lässt, den hält auch kein Mikrophon ab.“
Skepsis an dem Vorhaben gibt es vor allem bei den Oppositionsparteien. Selbst der CDU-Abgeordnete Kai Voet van Vormizeele versteht „die Hektik nicht“ und hat Bedenken, dass das Trennungsgebot zwischen der Gefahrenabwehr und der strafprozessualen Maßnahme – also der Strafverfolgung – eingehalten werde. Denn für Letzteres wäre der Bundesgesetzgeber allein zuständig. Das wäre schon bei der Videoüberwachung der Reeperbahn ein Balanceakt gewesen, die nach entsprechenden Gerichtsurteilen inzwischen eingestellt worden ist. KAI VON APPEN
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