Dunja Rajter, Schauspielerin: La Belle als Pique Dame
DUNJA RAJTER, 66, kroatische Sängerin und Schauspielerin. Erklomm in den 70ern die Hitparaden. Foto: DPA
Gestern ist lange her. Als Dunja Rajter gerade für ihr Diplom an der Zagreber Akademie für Theaterkunst die „Iphigenie“ des Euripides probte, wurde sie für den Film entdeckt. Genauer: Für den Indianerfilm und zwar von einem deutschen Kinoteam, das in Kroatien „Winnetou I“ verfilmen wollte.
Die Rolle der Bardame Belle hatte wenig mit Euripides zu tun. Aber der Film war erfolgreich. Mit durchaus ambivalenten Folgen für Dunja Rajter: Rajters authentische Interpretationen von Folk-Songs wurden alsbald zu „Lieder aus Jugoslawien“ übersetzt und, dunkel timbriert, als rassige Schlager verkauft. Ein Missverständnis, findet Rajter im nachhinein.
Heute, da der 60. Geburtstag der Künstlerin einige Zeit zurückliegt, reduziert sich ihr Rollenrepertoire auf das der Charity-Lady und des seltenen Fernseh-Gaststars. Auf Kleinkunstbühnen präsentiert sie ihr Leben als Liederabend. „Gestern ist lange her“ lautet ihr Blick zurück nach vorn, ein Song für das Musical „Casino Pique Dame“, das – frei nach Puschkins Novelle 2008 im Musical Theater Bremen uraufgeführt werden soll.
Bei der Vorstellung des Projekts erscheint Raijter im Bremer Casino in eben jener Aufmachung, die für die Diva alten Schlags obligatorisch ist: Paillettenkleid, seidig glänzende Handschuhe, totes Tier auf den Schultern. Eine schillernde Person. Eine grand dame, die nicht mehr die Herzdame, sondern die Pique Dame spielt. Die Rolle zum Karriereabend. Würdevoll gealtert. Erfahren, reif. Rajter: „Ich spiele eine Frau mit vielen Facetten, klug, stolz, geheimnisvoll und erfolgreich in einer Männerdomäne.“ In der Jugend missbraucht, verlassen, betrogen – so trauere sie um ihr Gestern, sei eine weiche Seele, die sich von der Vergangenheit einholen lasse. Dunja Rajter darf ernsthafte Schauspielerin und Sängerin sein. Wenn sie „Gestern ist lange her“ intoniert, ist das die charaktervolle Ausgestaltung eines Liedes mit feinen darstellerischen Nuancierungen. Idealer Kontrapunkt zu den gestern ebenfalls präsentierten KollegInnen, die mit metallisch kühlem Musicalgesang nur die Oberflächen der Songs polierten.
JENS FISCHER
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