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PRESS-SCHLAGAlles okay in NRW

SICHERHEIT Es geht auch mit weniger Polizei im und am Stadion. Aber warum sieht man das erst jetzt ein?

Das Fußballspiel an sich ist roh und hochemotional

Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Nicht sportlich, dafür ist es nach nur vier Spieltagen in der Bundesliga viel zu früh. Bilanz gezogen wird im Innenministerium von Nordrhein-Westfalen bei dessen oberstem Dienstherrn, Innenminister Ralf Jäger. Es geht um das sogenannte Pilotprojekt zur Optimierung des Polizeikräfteeinsatzes bei Fußballspielen. Und schon jetzt steht fest: Die Bilanz fällt positiv aus – aus der Sicht des SPD-Politikers.

Grundsätzlich ist dieses Pilotprojekt eine gute Idee: Die Präsenz von Polizisten bei Spielen, die voraussichtlich ohne größere Vorkommnisse ablaufen, wurde und wird reduziert. Die Beamten können sich um andere Dinge kümmern. NRW spart Geld. Aber warum ist das der Politik nicht schon vor Jahren eingefallen? Gleichzeitig muss man wissen, dass dieser Versuch kein Zeichen des guten Willens gegenüber den Fans darstellt. Der Hintergrund ist allein finanzieller Natur.

Kostenpunkt: 70 Mille

Auf bundesweit 70 Millionen Euro schätzt die Polizei ihre Einsatzkosten pro Saison. In Zeiten straffer Haushaltsführung werden diese Personalkosten zu einem Problem, weil großen Teilen der Öffentlichkeit nicht vermittelt werden kann, warum die öffentliche Hand für Kosten aufkommen soll, die private Veranstaltungen verursachen. Eine Möglichkeit, auf diese Sachlage zu reagieren, war der Vorstoß des Bremer Senats, die Fußballvereine an den Kosten für die Einsätze zu beteiligen.

In der Diskussion um Polizeieinsätze geht es auch um verzerrte Wahrnehmungen. Einerseits ist da die Polizei, die in der Vergangenheit lieber eine Hundertschaft mehr als eine weniger zu den Spielen geschickt hat. Und auch die Öffentlichkeit macht sich ein falsches Bild, denn grundsätzlich lässt sich sagen: Die Stadien sind sichere Orte. Auseinandersetzungen auf der An- und Abreise sind eher die Ausnahme als die Regel. Das kann man aus den jährlich veröffentlichten Zahlen der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei herauslesen, die Vorfälle und Auseinandersetzungen rund um Fußballspiele registriert und beobachtet – auch wenn sie offiziell manchmal das Gegenteil behauptet.

Gepaart mit unkritischer Berichterstattung wird gern ein Bild gezeichnet vom Fußball und seinem grassierenden Gewaltproblem. Herausgekommen ist dabei vor zwei Jahren das DFL-Sicherheitspapier „Sicheres Stadionerlebnis“, das seinerzeit auch auf Druck von Innenminister Jäger verfasst und verabschiedet wurde.

Die Politik hat daraufhin die Versprechen totaler Sicherheit und eines vollkommen gewaltfreien Fußballs abgegeben, Versprechen, die nicht eingelöst werden und auf Dauer auch gar nicht bezahlt werden können.

Das Fußballspiel an sich ist roh und hochemotional, und Fangewalt, wo auch immer sie sich Bahn bricht, ob in Liga eins oder fünf, wird wohl stets ein Bestandteil des Fußballs bleiben.

Es ist schon kurios, dass es nun ausgerechnet Ralf Jäger ist, der weniger Polizei zu Bundesliga-Spielen schickt. Das dann auch noch Pilotprojekt zu nennen ist schon ziemlich dreist.

GERALD MANDER

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