HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD: Greek Haircut
Gedanken über die griechische Verschuldung und den deutschen Kleinanleger
Wir haben bei Finanztest mal durchgerechnet. Der deutsche Anleger muss einen griechischen Haarschnitt, also die Kürzung der Staatsschulden, nicht unmittelbar fürchten. Er selbst hat kaum Geld in Griechenland angelegt, seine Fondsgesellschaften und Versicherungen haben das mit dem Ersparten der Kunden auch nur in vergleichsweise kleinem Umfang gemacht. Griechenland steht für 2,5 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung. Am ehesten ist der Kleinanleger noch als Steuerzahler dabei, wenn Deutschland als Teil des Rettungsschirms für die Löcher im griechischen Staatshaushalt aufkommt.
Das wichtige Wort ist „unmittelbar“, denn keiner der Anleger weiß genau, was europäische Banken tatsächlich in Griechenland veranstaltet haben. Solches Unwissen prägt auch die Debatte über die Krisenbewältigung in Griechenland. Über 300 Milliarden Euro Schulden hat der griechische Staat. Wofür haben sich die Griechen eigentlich all dies Geld geliehen? Einen Teil für Rüstungsprojekte, Griechenland gibt über drei Prozent seines Nationaleinkommens für Rüstung aus. Einen Teil für Olympia, das konnten wir sehen. Und für neue Flughäfen und Telefone aus Deutschland.
Aber das erklärt den Schuldenberg nicht. Die Welt diskutiert über Griechenland ohne eine näherungsweise Idee, wie denn die griechischen Staatsfinanzen aussehen. Wie viel Einkommenssteuer und wie viel Mehrwertsteuer kommen rein? Wofür wird das Geld ausgegeben? Wie viel für Kindergärten, Hochschulen, Panzer und Staatsbedienstete? Antworten auf diese Fragen würden einen besseren Eindruck vermitteln, wer in Griechenland vom geliehenen Geld profitiert hat – und wer zurückzahlt.
Die sozialistische Regierung in Athen selbst legt eine merkwürdige Strategie an den Tag. Sie kürzt Löhne und Renten und lässt Staatsdiener und kleine Leute bluten. Jetzt sinniert sie nach heftigem Druck von IWF und Euro-Ländern, wie sie zahllose staatliche Yachthäfen und Werften veräußern kann. Sie scheint bislang unfähig, die Großen im Land an den Kosten der Krise zu beteiligen. Und die Geldgeber in Europa fordern das auch nicht ein.
Zwei Schlaglichter der vergangenen Tage beleuchten diesen traurigen Umstand. Zum einen hat die Regierung in Athen jetzt erst, also nach eineinhalb Jahren Krise, den erfolgreichen griechischen Terrorfahnder Jannis Diotis mit der Jagd auf griechische Steuerflüchtlinge beauftragt. Zum andern sagen sozialistischer Umtriebe unverdächtige Politiker wie Edmund Stoiber oder Peer Steinbrück, dass die vermögenden Griechen ihr Geld schon lange ins Ausland gebracht hätten und dass auch deutsche Banken aggressiv um solche Fluchtgelder werben.
Vielleicht sollten die Helfer mit dem Rettungsschirm den Einsatz tausender zusätzlicher Steuerfahnder zur Bedingung für weitere Kredite an Griechenland machen. Und vielleicht sollten sie gleich Unterstützung signalisieren bei der Suche nach griechischen Staatsbürgern, die vor der Finanzierung ihres Gemeinwesens ausbüchsen.
■ Der Autor ist Chefredakteur von „Finanztest“ Foto: Karsten Thielker
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