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Das amputierte Theater

Pralles Theater, trauriger Abschied. Mit den „Riesen vom Berge“ von Luigi Pirandello endet die Geschichte der „Concordia“ als fester Spielstätte des Bremer Theaters

von Henning Bleyl

Das „Concordia“ an der Schwachhauser Heerstraße ist jetzt zum letzten Mal als feste Spielstätte des Bremer Theaters in Betrieb. Wichtiger als das Geld – drei Produktionen pro Jahr plus Miete nehmen weniger als ein Prozent des Theaterhaushalts in Anspruch – scheint die Symbolik zu sein: Seht her, das Theater spart.

Das tut es, gezwungenermaßen, an der falschen Stelle. Den Rahmen für die Intendanz von Hans-Joachim Frey hatte der Kultursenator von vornherein unter Auslassung der „Concordia“ gesteckt, auch während Klaus Pierwoß‘ Amtszeit gab es wiederholt Versuche, die Spielstätte zu schließen. Deren entscheidender Vorteil: Ausgehend von einem leeren Raum kann sich jedes Stück am Ort seiner späteren Präsentation entwickeln.

Im „Concordia“ baut man nicht nur das Bühnenbild, sondern die ganze Bühne und auch die Bauten für das Publikum – eine „Raumbühne“ eben. Die Bremer TheatergängerInnen – oft auch weit angereiste Fans – konnten hier Ungewöhnliches erleben: Eine nur aus Schlamm bestehende Bühne (Ferdinand Bruckners „Krankheit der Jugend“) oder Kafkas „Hungerkünstler“, aufgeführt von SchauspielerInnen nach 40 nahrungslosen Probetagen – was vor dem Hintergrund des RAF-Hungerstreiks auf heftigen Unwillen stieß. In Edward Bonds „Die Schaukel“ durfte das Publikum Tomaten schmeißen, hingestreckt auf einem Matratzenlager wurden es auch Teil der „Talk Show“ des noch unbekannten George Tabori – für den und mit dem das Haus zum richtungsweisenden Laboratorium wurde.

Mit „Die Riesen vom Berge“ erlebt das „Concordia“ seinen letzten Akt als Avantgarde-Ausleger des Bremer Theaters. Luigi Pirandello, einen Nobelpreis in der Tasche, schrieb das Stück 1936 als Parabel über den Umgang der Mächtigen mit der Kunst, auch die Regie ist passend gewählt: Für Andrej Woron sind alle Fragen des Bühnenbaus und der Ausstattung genauso Sache des Regisseurs wie die Aktionen der SchauspielerInnen.

Was sie gemeinsam auf die Bretter bringen, ist grandioses Theater: Verspielt, verwirrt, vielschichtig und von Fellini-hafter Opulenz. Sicher: Dieter Montag gibt einen Zauberer Cotrone, der zwar wunderbar in einem Rollstuhl residiert, die Weisheit jedoch mit allzu vielen Löffeln gefressen hat. Gefangen in einem Sarastro-artigen Habitus schreitet und rollt er durch sein Revier, das nicht aus „heiligen Hallen“, sondern einem heruntergekommenen Landhaus besteht – in dem der Wahnsinn herrscht. Hier werden alle Träume wahr, gute wie schlechte. Auch die der herumirrenden Theatertruppe, die sich mit hingebungsvoller Verzweiflung an der Aufführung ein und desselben Stückes aufreibt. Bis zum bitteren Ende. Selten war ein Finale so final, selten war es so phantastisch.

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