: „Der Flüchtlingsprotest ist vorüber“
SOLIDARITÄT Diana Riedel unterstützt die Flüchtlinge vom Oranienplatz. Sie informiert über Hintergründe und organisiert Patenschaften. Die Politiker Berlins haben die Proteste ausgetrickst, sagt sie
■ 36, ist Fitnesstrainerin und Beraterin für betriebliches Gesundheitsmanagement. Mit der Gruppe Lampedusa Berlin unterstützt sie die Flüchtlinge vom Oranienplatz.
taz: Frau Riedel, was hat Sie dazu bewogen, zur Flüchtlingsunterstützerin zu werden?
Diana Riedel: Als ich im Sommer vergangenen Jahres zum tausendesten Mal am Oranienplatz vorbeiging und mich fragte, was da eigentlich los ist, habe ich das Gespräch mit den Flüchtlingen gesucht. Das war zu der Zeit eine irre Situation: Da war ein Camp mitten in der Stadt, wo die Menschen zusammen mit den Ratten leben mussten – und niemand wollte etwas darüber wissen.
Sie hatten vorher gar nichts mit Flüchtlingen zu tun?
Nein, gar nichts, ich war kein politisch sehr aktiver Mensch. Aber je mehr ich über die Fluchthintergründe erfahren habe, über die dramatischen Geschichten, die dahinter stecken, desto mehr wurde mir bewusst, welche Verantwortung Europa dabei trägt – die aber hier völlig ignoriert wird. Es ist in meinen Augen inakzeptabel, sich hinzustellen und zu sagen, damit habe ich persönlich nichts zu tun, dafür sind wir nicht verantwortlich.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen?
Anfangs habe ich gemeinsam mit Freunden versucht, das Nötigste, das auf dem Platz gebraucht wurde, zu organisieren: Decken, Matratzen, Kleidung, Lebensmittel. Wir haben eine Küche gefunden, wo wir gemeinsam mit den Flüchtlingen kochen konnten. Ich habe dann angefangen, ein Projekt auf die Beine zu stellen, das in Richtung Ausbildung gehen soll: Creation, not frustration. Wir nähen mit einigen Flüchtlingen T-Shirts und bedrucken sie. Ziel ist es, irgendwann eine eigene Marke zu haben – und zumindest ein Ausbildungspraktikum zu ermöglichen, das auch der Ausländerbehörde einen Grund zur Erteilung eines Aufenthaltstitels liefern kann.
Manche Politiker werfen den Flüchtlingen vor, dass es ihnen nur um ihr eigenes Bleiberecht und nicht um den politischen Aspekt der Proteste gehe. Können die UnterstützerInnen auch nur auf dieser persönlichen Ebene helfen?
Wir kümmern uns mit der Gruppe Lampedusa Berlin, die von Flüchtlingen und BürgerInnen gegründet wurde, auch um deutsche und europäische Flüchtlingspolitik. Wir veröffentlichen Informationen über die Hintergründe von Flucht und über die Ungerechtigkeit der Asylgesetze, um diesen Blickwinkel anderen Leuten nahezubringen. Wir rufen zu Demos auf und verbreiten die Forderungen der Flüchtlinge. Und wir machen darauf aufmerksam, was jeder machen kann.
Was denn?
Erst einmal kann man sich informieren, was es mit der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa auf sich hat, man kann auf Demos gehen, die Petition unterschreiben oder im privaten Rahmen Hilfe für Flüchtlinge anbieten. Wir haben dazu aufgerufen, Patenschaften zu übernehmen, bei denen sich eine Person um ein oder zwei Flüchtlinge kümmert, mit ihnen zum Arzt geht oder schaut, was diese für berufliche Qualifikationen haben.
Der in der Einigung zugesagte sechsmonatige Abschiebestopp ist gerade abgelaufen, fast alle Flüchtlinge vom Oranienplatz stehen vor der Abschiebung. Sind die Proteste am Ende?
Ja. Die Berliner Ausländerbehörde hat viele der O-Platzleute mit der Begründung abgelehnt, sie sei für sie nicht zuständig, obwohl in der Einigung zugesichert wurde, dass Berlin sich um diese Fälle kümmern, dass es eine Umverteilung von denjenigen geben wird, deren Verfahren eigentlich in anderen Ländern laufen. Schon diese Ablehnungen sind also gegen das Agreement gewesen. Zudem werden jetzt im Nachhinein von der Ausländerbehörde bewilligte Duldungen als fehlerhaft erteilt zurückgezogen und so im Nachhinein das Hiersein einiger Flüchtlinge rückwirkend als rechtswidrig erklärt. So kann man sie trotz erteilten Asyls in Italien sogar in ihr Herkunftsland abschieben. Das ist besonders perfide, da sie aufgrund des Agreements hiergeblieben sind. Jetzt müssen alle ihre Unterkünfte verlassen, einige haben vielleicht noch einen Monat, wo sie irgendwo bleiben können, dann ist auch für sie Schluss. Deshalb denke ich, dass es vorüber ist. INTERVIEW: ALKE WIERTH
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