: Das Vermächtnis des Kapitäns
Das Buch Pierwoß: Zum Ende seiner Amtszeit legt der Intendant einen opulenten Rechenschaftsbericht vor
Klaus Pierwoß hat sich ein Denkmal gesetzt. Langlebiger als die einst nach ihm benannte Richtweg-Kneipe („Zum dicken Klaus“) und, mit gefühlten 4,27 Kilo, eine Herausforderung für jedes Regal. Dass sich im Inneren keine Bleiwüsten erstrecken, ergibt sich aus zwei weiteren Kennzahlen: 576 Seiten, 550 Fotos.
Gemessen an dem – meist ungelesen in seiner schleifenbewehrten Cartonage ruhenden – theaterchronischen Werk, das der damalige Geschäftsführer Lutz-Uwe Dünnwald vor drei Jahren drucken ließ, handelt es sich beim „Buch Pierwoß“ trotzdem um die reinste Volksausgabe. Man könnte bemängeln, dass dem Bedürfnis nach Unvergesslichkeit per Dokumentation durch Auflistung aller 350 Pierwoß-Premieren inklusive kompletter Besetzungslisten zu sehr Rechnung getragen wird. Aber: Pointiert geschriebene Texte verschiedener AutorInnen, die diese Theaterjahre unter bühnenästhetischen und kulturpolitischen Aspekten würdigen, machen das Werk zu einer vielschichtigen und dabei gut lesbaren Analyse. Und dass der Einband im Layout der Spielzeithefte hält, was er verspricht, ist ja auch nicht verkehrt.
Darf sich ein Intendant in eigener Sache loben? Ein Buch (mit)herausgeben, in dessen Klappentext steht: „13 Spielzeiten lang stand ein Mann an der Spitze dieses Stadttheaters, der wie kaum ein anderer um den Erhalt der von ihm (wieder)geschaffenen Qualität kämpfte; ein Mann, der als Kapitän des Kulturtankers Theater keinem Streit aus dem Weg ging und dadurch polarisierte, sich aber weit über Bremen hinaus mächtigen Respekt verschaffte: Generalintendant Prof. Dr. Klaus Pierwoß“? Er darf – weil es stimmt. Zudem ist zu konstatieren, dass Pierwoß auch kritische Töne zugelassen hat. Michael Laages etwa schreibt von „dickschädeliger Sturheit, die von bockbeiniger Verbiesterung dann kaum noch zu unterscheiden ist“. Und notiert, dass Pierwoß „nun wirklich kein Großmeister der freien Rede war, schon beim Ritual des Premieren-Sekts nicht, wo er mit großer Unbeirrbarkeit das Loben zelebriert hat“.
Solche Nähkästchen-Anmerkungen haben ihren Gegenpol in weit gespannten Kontextualisierungen – etwa durch den Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, der die Neubewertung des Theaters als „öffentliches Gut“ fordert. Denn: „Theater bietet einen Rastplatz der Reflexion durch Aufklärung.“ Das Buch Pierwoß liefert dafür sowohl Anschauungsmaterial als auch Argumentationshilfen. HB
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