: Schwarzbrotklinik
Fernsehen macht dick und doof? Das war einmal. Richtig-Essen-Formate boomen, und ab heute ermittelt die „Gesundheitspolizei“ (14.15 Uhr, ZDF)
VON JENNI ZYLKA
Wem die frechen Blagen auf der Nase herumtanzen, der ruft die Super-Nanny. Wer nicht weiß wohin mit der Leonardo-Gläser-Sammlung, lässt sich von Tine Wittler eine orangefarbene Lounge ins Wohnzimmer renovieren. Und wer zu dick ist, den sucht die „Gesundheitspolizei“ heim: In bester Öffentlicher-Bildungsauftrags-Manier hat sich das ZDF die von der Regierung ausgerufene „Kampagne für gesunde Ernährung“ zu Herzen genommen und startet heute eine televisionäre Gesundheitsoffensive, die den gemütlichen Übergewichtigen den Spaß am ungesunden Essen und Leben vergällen sollen.
Zum Team der Kalorienordnungshüter gehören eine Ärztin sowie Koch und Fitnesstrainer, die in einem bunten Bulli über Land fahren und sympathisch beleibte Pärchen und ungesund lebende Familien aufschrecken.
Doch natürlich hat das Öffentlich-Rechtliche das TV-Trimmrad nicht wirklich neu erfunden. Fitness, Gesundheit und „Wellness“ sind im Fernsehen alte Hüte. Angefangen von „Musik nach Noten“ über Aerobic- Sendungen und „Fit for Fun“ bis hin zu den kürzlich gestarteten täglichen Formaten „Besser Essen“ (ProSieben, 15.00 Uhr) und „Wissenshunger“ (Vox, 18.00 Uhr) scheint die Angst vor Cholesterin, Herzinfarkt und Moppeligkeit längst in jeder Zielgruppe angekommen zu sein.
Im ProSieben-Magazin, bei dem das ZDF geradezu unverschämt genau abgekupfert hat, besuchen ein Arzt und eine Ernährungsberaterin übergewichtige Kinder und zeigen ihnen eine computersimulierte Zukunft des Grauens: – So siehst du in 20 Jahren aus, wenn du nicht abnimmst! Dann schenken sie dem geschockten dicken Wicht perfiderweise noch ein ebenfalls computersimuliertes Bild aus der Zukunft, das die positive Entwicklungsvariante nach vollzogener Diätumstellung präsentiert. Bei der BBC heißt dieses dort eher auf die beköstigenden Eltern abzielende Format übrigens britisch, schön und dreist „Honey, we’re killing the kids“ (Liebling, wir bringen unsere Kinder um).
Und obwohl auch bei der ZDF „Gesundheitspolizei“ Look, Struktur und Konzept der Sendung gemopst sind, ist sich der Mainzer Sender zumindest in der Erzählgeschwindigkeit treu geblieben: Gemächlich wird sich an Ergebnisse herangetastet, im Gegensatz zu den vielen Abnehmsendungen, bei denen die Kilos auch in einem Fünf-Minuten-Beitrag rapide purzeln, zerfließen sie hier quasi in quälend langsamer Echtzeit.
Zur fünfteiligen Serie um die Gemüsebullen hat das ZDF in seiner „Gesundheitswoche“ noch mehr Passendes ins Programm genommen: Susanne Fröhlichs schlimm-spießiges „Mein Problem ist mein Gewicht“-Buchs (siehe Verpassen) ist verfilmt, Johannes B. Kerner hat Renate Künast von den Grünen eingeladen, und sogar Arte macht einen Themennachmittag zum Fett-Loswerden. Ein irgendwie bigottes Unterfangen, denn natürlich laufen auf sämtlichen Kanälen weiterhin die momentan so beliebten Kochsendungen, in denen auch mal Crème Double-Pudding mit Zucker und Sahne geschmacksverstärkt wird, ganz zu schweigen von Fastfood- und Schokoladenwerbung – so konsequent möchte man dann doch nirgendwo sein.
Noch mehr Konkurrenz kommt ab April. Dann zieht der Spartensender „DGF – Deutsches Gesundheitsfernsehen“ via Satellit ins Rennen um ernährungsbewussten KonsumentInnen. Hinter DGF steckt der Grimme-Preisträger Gerd Berger („Zak“, „Stern TV“, „Schreinemakers Live“), geplant sind Formate vom Gesundheitstalk über Ärztealltag-Reportage und Volksgesundheitstest bis zur Naturheilkunde-Sendung und Yoga zum Mit-Ommmmen. So unsexy das klingt – es müsste eigentlich voll im Trend liegen.
Trotzdem: Was die Fernsehanstrengungen außer möglicher Quote, Regierungstreue und einem guten Gewissen noch bringen, ist nicht wirklich geklärt. Der Beweis des Zusammenhangs zwischen „gesund fernsehen“ und „gesund leben“ steht noch aus.
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