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Big-Mäc-Alarm in Kreuzberg

McDonald’s will im Wrangelkiez eine Filiale mit 100 Plätzen eröffnen. Es wäre die erste in Kreuzberg. Eine Bürgerinitiative wittert die Chance, dem bösen Kapitalisten eins auszuwischen: Sie ruft zum Protest gegen die Burgeroffensive. Zu Recht?

MCDONALD’S IM KIEZ

Standort: Ecke Skalitzer-/Wrangelstraße soll ein McDonald’s mit 100 Plätzen entstehen. Dazu gibt’s 35 Arbeitsplätze in Voll- und Teilzeit.

Planung: Die Baugenehmigung hat der Bezirk erteilt, die Kindertagesstätte auf dem Gelände wurde abgerissen. Geplante Eröffnung ist Mitte August.

Protest: In der vergangenen Woche traf sich zum ersten Mal eine Bürgerinitiative aus Anwohnern, die gegen die Burgerfiliale mobil macht. Unter www.keinmcdoofinkreuzberg.de können sich Interessierte in einen Verteiler eintragen.

Konkurrenz: Neben den Kinos in der Yorckstraße verkauft Burger King seine Fleischklopse. TAZ

JA, SAGT Bert Schulz

Fastfood kann man in der Stadt kaum entkommen: An fast jeder Ecke werden Burger, Döner, Sandwiches, Currywürste, Pizza und Pommes verkauft. Wer deswegen jedoch die Initiative gegen McDonald’s in Frage stellt, kapituliert bereitwillig vor dem geschmacklosen Expansionsdrang des Frikadellenbräters. Der Protest macht Sinn, gerade in Kreuzberg, das sich noch nie freiwillig mit Zivilisationsabfällen zumüllen ließ.

Der Grund ist McDonald’s. Der US-amerikanische Konzern steht nicht nur sinnbildlich für das Böse eines mächtigen Großkonzerns. Er macht diesem Ruf auch alle Ehre. Seit Jahren werfen Initiativen dem Burger-Meister vor, irreführende Werbung zu betreiben, Angestellte mies zu behandeln und massenweise unnötigen Müll zu produzieren.

Der Konzern reagiert auf die meist detaillierten Anschuldigungen immer gleich: Er dementiert. Heftig. In vielen Fällen muss er jedoch später eingestehen, dass die Vorwürfe berechtigt waren. Wer sich also gegen McDonald’s nicht wehrt, kriegt Lügen aufgetischt.

Dazu kommt: Das Zeug schmeckt übel. Mal ganz ehrlich: Vielleicht befriedigt der erste Burger ja noch temporäre Gelüste nach gebratenem Einheitsbrei. Spätestens der zweite liegt aber bleischwer im Magen. Auch das gesunde Image, das der Konzern anstrebt, ist eine Täuschung. Dessen Salatsaucen, Milchshakes etc. enthalten überdurchschnittlich viel Zucker, Salz und Fett. Der Konzern produziert (und verkauft für viel Geld) essbaren Schrott. Und da gilt nach wie vor: So wie es wichtig ist, gegen die Produktion von Tellerminen zu protestieren, ist es nötig, sich gegen neue McDonald’s-„Restaurants“ zu engagieren.

NEIN, SAGT UWE RADA

Ziemlich genau vor 20 Jahren verübte eine pseudoproletarische Splittergruppe namens „Klasse gegen Klasse“ einen Fäkalienanschlag auf ein Kreuzberger Nobelrestaurant. Schickimicki in Kreuzberg, hieß es damals, sei ein „konterrevolutionäres Projekt zur Aufwertung proletarischer Stadtteile“. Zwanzig Jahre später macht eine Bürgerinitiative gegen McDonald’s mobil. Kann man das vergleichen?

Man muss es sogar. Zwar ist McDonald’s nicht schickimicki, sondern pappschlapp, und nie würde Christian Ströbele zum Scheißekübel greifen. Die Haltung, die beidem zugrunde liegt, ist aber dieselbe – unser Kiez muss sauber bleiben.

Wie peinlich. Ist ein Brathähnchen etwa gesünder als ein Big Mäc? Der Lohn in der Onkelökonomie höher als bei McDonald’s? Der Springer-Verlag etwa weniger kapitalistisch als ein US-Konzern? Natürlich nicht, ist aber auch egal. Hauptsache das kleine gallische Dorf behält sein rebellisches Image. Nichts kommt da gelegener als ein US-Konzern und ein Bauzaun, an dem man rütteln und schütteln darf wie in guten alten Zeiten.

Nun wäre das ganze eher eine Fußnote, würde es durch die grüne Kiezprominenz nicht noch geadelt. Dabei waren es gerade die Grünen unter ihrer Ministerin Künast, die die Macht des Verbrauchers entdeckt haben. Nur: Diese Macht hat etwas mit Wahl zu tun und nicht mit Verbot. Viel schöner als eine neue Kübel-Kampagne wäre doch, wenn McDonald’s seine Filiale an der Wrangelstraße wieder schließen müsste – wegen mangelnden Umsatzes. Hat Bic Mäc aber Erfolg, müssen sich die Saubermänner fragen, für wen sie überhaupt sprechen.

Und noch was: Ist Burger King in der Yorckstraße links, Herr Ströbele?

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