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AKW-Debatte geht am Kern vorbeiKOMMENTAR VON MALTE KREUTZFELDT

Atomkraft als Klimaretter – mit diesem Image versucht die Nuklearbranche derzeit die laufende Klimadebatte für ihre Zwecke zu nutzen. Als hätte es weder Tschernobyl noch den jüngsten Beinahe-GAU im schwedischen Forsmark gegeben und als ob es kein ungelöstes Atommüllproblem und keine Gefahr der Verbreitung spaltbaren Materials gäbe: Die Konzerne versuchen ihre Technik und ihre Profite zu retten.

Aus Sicht der Atomwirtschaft gibt es dafür einen guten Grund: Allen Parolen vom „Comeback der Atomkraft“ zum Trotz ist die Technologie weltweit auf dem Rückzug. In den nächsten zehn Jahren werden voraussichtlich rund 80 Atomkraftwerke aus Altersgründen abgeschaltet. Gleichzeitig sind gerade einmal 29 Anlagen im Bau, davon genau eine in Europa. Dieser Bau in Finnland – der erste, der nach Tschernobyl begonnen wurde – findet allerdings wesentlich mehr Aufmerksamkeit als die 26 AKWs, die seit 2000 in Europa vom Netz gegangen sind.

Selbst wenn man Atomkraft für ungefährlich halten würde: Als Lösung fürs Klimaproblem eignet sie sich keinesfalls. Noch 13 Jahre bleiben nach Berechnungen des UN-Klimarats, um den weltweiten CO2-Anstieg zu stoppen. AKWs, die gerade 3 Prozent zur Deckung des weltweiten Energieverbrauchs beitragen, haben eine Planungs- und Bauzeit von über zehn Jahren. Selbst mit größten Anstrengungen kann ihre Zahl darum nicht einmal konstant gehalten, geschweige denn gesteigert werden.

Die Atomdebatte beim EU-Klimagipfel geht darum am Kern des Problems vorbei und verhindert die wirklichen Lösungen: Der Energieverbrauch muss durch bessere Effizienz gesenkt werden. Und die erneuerbaren Energien, die kurzfristig verfügbar sind, müssen massiv ausgebaut werden. Zudem ist das EU-Ziel, den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 bis 2020 um 20 Prozent zu senken, nicht nur unzureichend, sondern auch wenig ambitioniert: Allein der Niedergang der osteuropäischen Schwerindustrie hat einer Studie zufolge 15 Prozent gebracht. Um die proklamierte „Vorreiterrolle“ auszufüllen, muss die EU über ehrgeizigere Ziele nachdenken. Doch Klimawandel als Atomkraft-Retter – diese Lobby-Strategie darf nicht aufgehen.

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