BOULEVARD DER BESTEN: RICHARD NÖBEL: Der den Tag preist
Nach der Schicht verschwindet er nicht eilends aus dem Redaktionsgebäude; in größter Ruhe steigt er aus dem zweiten Stock, wo die Graphik- und Layoutabteilung sitzt, dorthin, wo die schreibenden KollegInnen sitzen, deren Seiten er designerisch und druckfertig zubereitet hat.
Dann fragt er: „Gibt es hier noch Kekse?“ Richard Nöbel, der nun in Pension geht und sich weitgehend in den Schwarzwald zurückziehen wird, ist von fast zenbuddhistischer Freundlichkeit – niemand würde, hat er oder sie welche parat, Süßigkeiten ihm zu geben abschlagen. Im Gegenteil: Dieser Kollege ist von ausnehmender Beliebtheit.
Das mag auch damit zu tun haben, dass er, der Japanisches, Literarisches und Fernsehspannendes liebt, sehr, sehr schöne Seiten layoutet. Oder Sonderausgaben – wie die zur WM oder zu Olympischen Spielen – mit besonderer Hingabe grafisch konzipiert: Ohne seine gewisse Exzentrizität, was den Look einer Seite anbetrifft, wäre alles nicht so fein geworden. Vor allem aber ist Kollege Nöbel von freundlichster Art. Mit ihm lobt sich der Tag, der beginnt oder schließlich endet, beinah von allein. Was nützt es, könnte man sein Credo wenigstens annähernd zusammenfassen, schon morgens schlechte Laune zu haben? Nützt niemandem, vor allem sich selbst nicht.
Das ist sehr beruhigend, nicht nur für seine KollegInnen in der Layoutabteilung, das ist vor allem eine starke, gewogene Aura für jene journalistischen Kräfte im Haus, die durch Aktualität heimgesucht werden und in ihm, den in Neukölln beheimateten Bonner, einen Pol der Nichtnervosität finden. Vielleicht liegt diese Haltung – die nicht mit Entspanntheit zu verwechseln ist – darin begründet, dass er die taz immer ernst, nicht als Höckerchen für die Karriere anderswo genommen hat: Ernsthaft das Projekt einer Tageszeitung zu betreiben, die so wichtig wie schön sein möge. Auf gewisse Weise geht er in den Unruhestand: Richard Nöbel wird projektweise der taz weiterhin verbunden bleiben. Und das ist, jenseits aller Redaktionsschlussnot, eine sehr gute Nachricht. JAN FEDDERSEN
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