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Die Arbeit macht Spaß

Während Florian Mayer wegen eines zwiespältigen Verhältnisses zum Job des Tennisprofis bei den French Open ausscheidet, kann Philipp Kohlschreiber nicht genug bekommen vom Spiel auf Sand

AUS PARIS DORIS HENKEL

Es gab eine Zeit, und die liegt noch nicht so lange zurück, in der Florian Mayer, 23, für die jungen Kollegen ein prima Beispiel war. Das war im Sommer vor drei Jahren, als er in Wimbledon wie Kai aus der Kiste sprang und im Viertelfinale landete. Damals, sagt er, habe er sich jeden Morgen total auf Tennis gefreut. Nun ist dieser Franke keiner, dessen Freude wild und explosiv und für jeden Außenstehenden sichtbar wäre. Aber wer ihn kannte, der wusste: Die Sache passt.

Philipp Kohlschreiber, seit vielen Jahren Mayers Trainingspartner im Tenniszentrum in Oberhaching und nur gut eine Woche jünger als der, sah das auch. Aber vor allem dachte er: Wenn es der Flo schaffen kann, bei den Besten mitzuspielen, warum nicht auch ich? Nicht falsch gedacht. Inzwischen sind die beiden in der Weltrangliste nicht viel weiter voneinander entfernt als in der Liste ihrer Geburtstage: Kohlschreiber steht auf Position 33, Mayer auf 37. Doch die Nähe täuscht. Die Erfolgskurve des einen steigt, die des anderen stagniert, nicht nur gemessen an den Eindrücken aus der ersten Runde der French Open. Kohlschreiber bewährte sich in einem fast vier Stunden und fünf Sätze dauernden Marathonspiel beim Sieg gegen den trickreichen Tschechen Lukas Dlouhy (6:2, 3.6, 7:5, 4:6, 17:15). Mayer unterlag dem Franzosen Paul-Henri Mathieu ohne größere Umstände (3:6, 4:6, 2:6) und gab hinterher zu, er sei viel zu weit weg gewesen, um den Hauch einer Chance gehabt zu haben. Weltranglisten-Punkte wird er mit dieser Niederlage nicht verlieren, denn auch aus dem vergangenen Jahr steht eine Niederlage in der ersten Runde zu Buche. Was er verloren hat, ist die Freude am Spiel. „Leider hat mir Tennis früher viel mehr Spaß Spaß gemacht“, klagt er. „Ich weiß, das ist mein Job, und ich will bestimmt nicht zehn Stunden jeden Tag in einem Büro sitzen. Aber seit vier Jahren ist es immer dasselbe. Irgendwie bin nicht locker, nicht befreit.“

Am liebsten würde er ein halbes Jahr Pause machen; wenn es denn möglich wäre, ohne danach wieder von vorn beginnen zu müssen. Aber das ist nicht möglich, und so führt vermutlich kein Weg an der Frage vorbei, ob Arbeit Spaß machen muss, wenn man sie gut machen will. Die Antwort: Muss nicht, aber es hilft enorm. Auch Kohlschreiber brauchte Zuspruch und moralische Unterstützung von außen in der Endphase des scheinbar nicht enden wollenden Spiels gegen den Tschechen. Und wer weiß, ob er ohne die Erlebnisse der vergangenen Wochen durchgehalten hätte.

Der erste Turniersieg zu Beginn des Monats in München hat seinem ohnehin nicht geringen Selbstbewusstsein ein neues Fundament gegeben, und auf dem lebt er nicht schlecht. Aber er ist damit beschäftigt, die Dinge neu zu sortieren. Was schon bei den German Open in Hamburg galt und in der vergangenen Woche beim World Team Cup in Düsseldorf, das gilt auch in Paris: In Abwesenheit der verletzten Kollegen Haas und Kiefer ist Kohlschreiber in diesen Wochen die Nummer eins des deutschen Männertennis, und eine gewisse Verpflichtung in dieser Rolle spürt er durchaus.

Das erklärte Jahresziel, ein Platz unter den Top 30, könnte er mit einem weiteren Sieg im Stade Roland Garros erreichen, inzwischen spricht er schon relativ ungeniert von der nächsten Kategorie, den Top 20. Erwartungen und Verpflichtungen sind nun einerseits nicht kleiner geworden, denn nach den Niederlagen von Mayer und Benjamin Becker steht Kohlschreiber als Einziger des deutschen Männertennis in Runde zwei. Andererseits, sagt er, sei er hier bei einem internationalen Turnier gar nicht gefragt, anders als zuletzt in der Heimat. Will sagen: Bis die Franzosen und der kleine Rest der Welt die Taten eines Philipp Kohlschreiber zur Kenntnis nehmen werden, muss noch was passieren. An seinem Plan, auch in der nächsten Woche noch in Paris bei Arbeit, Spaß und Spiel zu sein, hat sich nichts geändert.

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