: Kicken für das Gute und die Teilhabe
SPIELEN Ist der Fußball ein Abbild der Gesellschaft? Und hat Frauenfußball immer gleich was mit Emanzipation zu tun? Fragen, denen ein manchmal zu gut gemeinter Sammelband nachgeht
Mehr als ein Spiel. Jahrelang hat der Internationale Fußballverband mit diesem Spruch für sich und seinen Sport geworben. Die Fifa sieht sich als Weltverbesserer. Beinahe unerträglich war die soziale Dröhnung, mit der der Verband vor einem Jahr, als die WM in Südafrika lief, die Welt belästigte. Der Fußball als Weltverbesserer: Hunger, soziale Ausgrenzung und Analphabetismus, die Fifa bot für alles eine Lösung an und tat so, als wolle kein Kind aus einer an den Rand gedrückten Gesellschaft das Schreiben lernen, wenn nicht ein Fußball auf dem Schülerpult liegt. Hat der Fußball wirklich die Kraft, die Welt zu verändern? „Emanzipation und Fußball“, der Sammelband, den Daniel Küchenmeister und Thomas Schneider herausgegeben haben, macht sich auf die Suche nach einer Antwort. Und endlich, endlich ist einmal ein Buch zu diesem Thema erschienen, das auch seine Zweifel daran äußert, dass durch den Fußball ganz einfach alles gut wird.
Zwar sprechen nicht nur die Herausgeber dem Sport ein „emanzipatorisches Potential“ zu, und doch wird bisweilen schonungslos festgestellt, dass er dies nicht ausschöpft. Die Kulturwissenschaftlerin Tatjana Eggeling, die sich seit Jahren gegen Homophobie im Fußball engagiert, stellt unmissverständlich fest, dass „einzelne Teilgruppen in unserer Gesellschaft im Sport nicht dieselbe Anerkennung und denselben Respekt wie andere genießen“. Der Sport, auch der Fußball hinkt da der Gesellschaft weit hinterher.
Wenn ein Sechstel der Mitglieder im Deutschen Fußballbund Frauen sind, mag der Verband das als Erfolg verkaufen, ein Abbild der Gesellschaft ist der Fußball hier wahrlich nicht. Dass Menschen seit Beginn der Fußballgeschichte hierzulande immer versucht haben, soziale Teilhabe durch die Teilnahme am Spielbetrieb der Vereine zu erlangen, das wird in dem Sammelband dokumentiert. Hier wird die Mobilität der Fußballer, die in einer noch nicht mobilen Gesellschaft von Spiel zu Spiel reisen, als emanzipatorischer Akt gesehen. Hinterfragt wird, ob Frauen, die sich früh dem Fußballspiel zuwendeten, dies bewusst als emanzipatorischen Akt verstanden. Oder stimmt einfach, was Bärbel Wohlleben, die 1974 als erste Frau den Sportschau-Wettbewerb um das Tor des Monats gewonnen hat, sagt: „Emanzipation war nie ein Thema, es ging mir um rein sportliche Gründe.“ Jüdische Sportler versuchten zur Zeit der Weimarer Republik, in den deutschen Traditionsvereinen Anschluss zu finden, oder organisierten sich in eigenen Vereinen, um am Spielbetrieb teilnehmen zu können. Der Fußball schien hier tatsächlich integrative Kräfte zu entwickeln. Dass schon kurz nach der Machtübernahme der Nazis im Januar 1933 viele Vereine, ohne dass sie dazu groß aufgefordert werden mussten, ihre jüdischen Mitglieder rausschmissen, ist indes ein Beleg dafür, dass der Sport nicht nur das Gute transportiert.
Tja, das Gute! Damit haben es die Herausgeber dann doch etwas übertrieben und zwei in ihrer Korrektheit beinahe unerträgliche Interviews mitgeliefert. Gül Keskinler, die Integrationsbeauftragte des DFB, hat ebenso wenig Interessantes („Integrationsarbeit über den Sport ist auch eine soziale Aufgabe“) zu sagen wie Dagmar Freitag (SPD), die dem Sportausschuss des Deutschen Bundestags vorsitzt: „Sportpolitik ist Gesellschaftpolitik im besten Sinne.“ Bitte unbedingt überlesen! ANDREAS RÜTTENAUER
■ Daniel Küchenmeister/Thomas Schneider: „Emanzipation und Fußball“. Panama Verlag, Berlin 2011, 184 Seiten, 19,90 Euro
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