piwik no script img

Dänen rütteln an Fehmarnbelt-Querung

Zwei dänische Parteien wollen statt einer Brücke über den Fehmarnbelt nun eine Brücke zwischen Rostock und Gedser

Keine feste Verbindung über den Fehmarnbelt, sondern eine neue Route für eine Brücke zwischen Norddeutschland und Dänemark: Diesen überraschenden Vorschlag machten gestern gleich zwei dänische Parteien in Kopenhagen. Unterstützung erhält der Vorschlag von Verkehrsexperten aus Deutschland und aus Dänemark. „Eine Brücke über den Fehmarnbelt ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Martin Lidegaard, verkehrspolitischer Sprecher der linksliberalen Radikalen Venstre der taz: „Deswegen wird unsere Fraktion stattdessen eine Brücke zwischen Rostock und Gedser vorschlagen. Das öffnet für den Verkehr den Weg nach Berlin und Osteuropa.“

Der neue Vorschlag könnte in letzter Minute einen so gut wie unterschriftsreifen Vertrag zwischen Kopenhagen und Berlin stoppen. Denn die rechtsaußen stehende Dänische Volkspartei schloss sich umgehend dem linksliberalen Vorstoß an. „Wenn schon eine Brücke, dann via Rostock“, erklärte deren Verkehrssprecher Walter Christophersen. Ohne die Stimmen der Volkspartei hätte die konservativ-rechtsliberale Regierungskoalition in Kopenhagen keine parlamentarische Mehrheit für ein Fehmarnbelt-Abkommen mehr. Da auch die beiden Linksparteien im dänischen Parlament gegen das Fehmarnbelt-Projekt sind, könnte es nun von den oppositionellen Sozialdemokraten abhängen, ob die umstrittene Brücke noch eine Mehrheit hat.

Eine Fehmarnbrücke sei ebenso wie schon die jetzige Fährschiffroute nur ein Überbleibsel des Kalten Krieges und der Teilung Deutschlands, argumentieren Fehmarn-GegnerInnen wie der Berliner Infrastrukturexperte Christoph Stroschein. Aus einer gesamteuropäischen Perspektive stelle diese Route einen Umweg für die grenzüberschreitenden Verkehrsströme dar. Nicht nur von Berlin, sondern auch von München aus wäre Skandinavien schneller über eine Rostock-Gedser-Verbindung zu erreichen. Ganz zu schweigen von Osteuropa. Und auch von Hamburg aus läge Kopenhagen via Rostock nur 60 km weiter entfernt als über Fehmarn.

„Hamburg und damit ganz Nordwesteuropa haben ja bereits jetzt via Jütland und die Brücke über den Großen Belt eine gute und ausbaubare Verbindung nach Kopenhagen“, sagt Verkehrsforscher Per Homann Jespersen von der Universität Roskilde. Es komme hinzu, dass in Rostock die anschließende Straßen- und Schieneninfrastruktur vorhanden sei, die man für die Fehmarnverbindung erst noch teuer errichten müsste. Rechne man alles zusammen, würde die Brücke via Rostock nicht teurer werden als eine Fehmarnbrücke, obwohl sie etwa doppelt so lang wäre.

Angesichts der Aussicht, auf dem größten Teil der Finanzierung des Brückenbaus selbst sitzenzubleiben, weil die deutsche Regierung diese nicht einmal zur Hälfte tragen will, ist im dänischen Parlament die Begeisterung für eine Fehmarnverbindung in letzter Zeit deutlich gesunken. Viele Abgeordnete befürchten auch, dass diese nur der schon vorhandenen Großer-Belt-Brücke Verkehr und Mauteinnahmen entziehen könnte und damit für Dänemark ein teures Zuschussgeschäft würde. Was die Bereitschaft, eine Entscheidung über das Projekt so lange aufzuschieben, bis eine Alternativlösung näher untersucht wurde, insgesamt steigert.

REINHARD WOLFF

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen