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Hakenkreuz hilft Kutte

HELFER Im Bremer Umland fasst seit Jahren ein Motorradclub mit gewaltbereitem Hintergrund und stramm rechter Gesinnung Fuß. Mittendrin: Stefan Ahrlich, ein Werder-Hooligan, Freund der Hells Angels und Türsteher

VON OTTO BELINA

In Brinkum, kurz hinter Bremen, hat der Motorradclub „Legion Bremen“ sein Hauptquartier. Der Schriftzug mit dem Namen steht in den oberen Fenstern des schwarz gestrichenen Hauses, unten befindet sich ein Restaurant namens „Roadhouse 6“, im amerikanischen Style. Regelmäßig veranstaltet der Motorradclub, der das Eiserne Kreuz im Logo trägt, Tage der offenen Tür. Viele Motorräder parken dann hier an der Bremer Straße, Männer mit Lederkutten stehen daneben. Sie kommen von Clubs aus der Region, die „Vanguard“ oder „Luzifer“ heißen.

Die örtliche Presse sieht die Dinge entspannt. Noch im April vergangenen Jahres zitierte die Kreiszeitung den Dienststellenleiter der zuständigen Polizei in Weyhe, Johann-Dieter Oldenburg, mit den Worten, es gebe keine Hinweise auf den Zuzug von Rockern in Brinkum. Die Sorgen der AnwohnerInnen seien „unberechtigt“. Diejenigen, die sich in dem Gebäude in der Hausnummer 3 einquartiert hätten, seien nur „Motorradfreunde“, die „mit einer Harley-Davidson-Fahne ihre Leidenschaft für die Kultmarke unter den Zweirädern zum Ausdruck bringen“ würden. „Harmlose Menschen“ seien das, bestätigte auch der Immobilienhändler, dem das Haus gehört. Seine Mieter seien nur Leute, „die Motorrad fahren und sich treffen“ wollten.

Die offizielle Entwarnung durch die niedersächsischen Behörden eröffnete dem Club die Chance, sich in Brinkum problemlos zu verankern. Das Haus wird heute gut frequentiert. Neugierige kommen zu den Live-Konzerten in den Biergarten, besuchen das Oktoberfest mit bayerischen Spezialitäten oder testen alltags die Steaks im angeschlossenen Restaurantbetrieb. Die muskulösen, glatzköpfigen Rocker erregen in Brinkum wenig Anstoß.

Dabei handelt es sich bei der „Legion“ mitnichten einfach nur um eine harmlose Truppe von Motorradfahrern. Bekanntester „Legionär“ ist Stefan Ahrlich. Der Bremer Weser-Kurier beschreibt ihn als „stadtbekannten Zuhälter und Türsteher“. Er zählt seit Jahren zur äußerst rechten Hooligan-Formation „Standarte Bremen“, vormals „Standarte 88“. Als einer ihrer Anführer gilt der Sänger der Neonazi-Band Kategorie C, Hannes Ostendorf, deren Musik jüngst den Soundtrack zur Hooligan-Demo in Köln lieferte.

Ahrlich, der inzwischen in Delmenhorst lebt, betreibt einen Limousinen-Service, einer seiner Fahrer war der Ex-Kreisvorsitzende der NPD in Verden, Matthias Schulz. Nicht nur in Brinkum scheint man zu Ahrlich nicht unbedingt auf Abstand bedacht: 2012 berichtete die Bild, wie der Werder-Fußballstar Marko Arnautović in einem schneeweißen Luxusauto zur Trauung fuhr – einem Auto aus dem Fuhrpark von Stefan Ahrlich.

Die Hooligans der „Standarte“ zeigen in Bremen Präsenz, auch dort, wo die verbotenen Rocker-Banden sich nicht offen zeigen dürfen. Im Mai hatten die Anhänger der Standarte, mit grün-weißen Sturmhauben vermummt, in Bremen ein Boot gechartert. Ihr Ziel: das Weserstadion, wo Werder gegen den HSV spielte. Nordderby. Die Polizei setzte die Truppe fest, nahm aber nur von 43 der 137 Hooligans an Bord auch die Personalien auf. Allein unter denen waren 19 bei der Polizei als gewaltbereit registriert, sieben hatten „Bezüge zu rechtsaffinen Gruppen“. Bereits 2005 feierte die „Standarte“ ihren zehnjährigen Geburtstag auf einem Schiff direkt an der Partymeile im Zentrum der Stadt. „Nur für Arier“, hatte jemand an den Eingang geschmiert.

Beim Nordderby im Mai war auch Stefan Ahrlich mit auf dem Schiff. Und wenn sein Kumpel Ostendorf vor Gericht steht, dann sitzt der bullige Kamerad wachsam im Zuschauerraum. Über Szenebars, Kampfsport und gemeinsame „Kaffeefahrten“ ist die „Legion“ mit der Hooligan-Truppe vernetzt.

Doch Ahrlich hat nicht nur Beziehungen zur rechten Szene, sondern auch auch zu den Hells Angels. Bei einer Motorrad-Ausfahrt stand hinten auf seiner roten Harley, zusammen mit einem Reichsadler, der Schriftzug „Support 81“ – „81“ bedeutet „Hells Angels“. Die Zahl „88“ auf dem Nummernschild wiederum steht für „Heil Hitler“, auf dem Helm waren die Worte „Blut und Ehre“ zu erkennen.

Ahrlich ist eine Figur, die für eine Tendenz in der Rocker-Strategie steht: Die Gangs stehen unter Druck und müssen in Konkurrenz zueinander wachsen. Während sie in den Großstädten vor allem unter Migranten rekrutieren – die Rocker der Mongols auch in den Reihen junger Russlanddeutscher –, konzentrieren sich einige Charter der Angels mittlerweile auf Hooligans und Neonazis.

Krassestes Beispiel ist der neu formierter Angels-Ableger in Rostock, der von drei langjährigen Neonazis angeführt wird. Aber auch in anderen norddeutschen Städten wie Kiel oder Göttingen beobachten Experten diese Entwicklung. Neu entstehende „Bruderschaften“ der Neonazis wie etwa die „Brigade 8“, die auch in der Bremer Region aktiv ist, zeigen offene Sympathien für die „Höllenengel“.

Während bei der Polizei zunächst nur von „Einzelfällen“ der Überschneidung von Rockern und Neonazis die Rede war, räumt das Bundeskriminalamt seit 2013 ein, dass die Kontakte doch enger seien „als angenommen“.

Diese Entwicklung ist nicht nur auf die Hells Angels beschränkt: Das Landeskriminalamt in Mecklenburg-Vorpommern warnte bereits 2011 vor einer dubiosen Mischszene und benannte dabei explizit die „Eastcoast Brotherhood“: Sie steht den Rockern der Mongols nahe und gehört damit zur Konkurrenz von „Legion“ und „Hells Angels“. Auch die „Eastcoast Brotherhood“ sieht man mittlerweile in Stuhr, das gleich neben Brinkum und dem „Roadhouse“ liegt.

Seit dem Verbot der Mongols und der Hells Angels in Bremen haben sich direkt hinter der Landesgrenze die Aktivitäten von Rockern verstärkt. Brinkum liegt nicht mehr in der Zuständigkeit der Bremer Behörden, zählt wohl aber zum „Herrschaftsgebiet“ Bremen. Motorradclubs wie die „Legion Bremen“ sind für Gruppen wie die Hells Angels wichtig, indem sie über die Clubhäuser diese Gebiete „absichern“.

In der Rocker-Hierarchie scheinen die „Legionäre“ weit unten zu rangieren. Obwohl Ahrlich, anlässlich einer Beerdigung, schon 2010 mit seiner Harley im Konvoi der Hells Angels mitfahren durfte, erreichte er nie den Status eines „Members“. Und während die „Legion 81“ aus Kiel sich dort mit dem Zahlencode „81“ offen als Unterstützer-Club der Hells Angels zeigte, tragen die Anhänger der Bremer „Legion“ keine Kutten, sondern nur schwarz-weiße Kapuzenpullover. Unter ihnen sind Zuhälter, Tätowierer, Türsteher und Security-Leute.

Sie zeigen offen keine Verbindungen zu den Hells Angels, im Internet präsentieren sie sich nebulös: „Wir sind überall zu finden. Wir gehen unseren eigenen Weg – Wir sind Legion Bremen“. Bei Facebook lästern sie über „Kartenjuden“, die Fußballkarten verhökern würden, oder hetzen über den Zuzug von Flüchtlingen.

Gefährlich ist die Mischszene von Rockern und Neonazis eben auch, weil die Unterstützung in beide Richtungen funktioniert. Was das bedeuten kann, zeigt ein Vorfall in Kirchweyhe, einem Nachbarort von Brinkum. Vor allem Neonazis hatten dort versucht, den Tod eines Jugendlichen populistisch auszuschlachten, weil dieser nach einem Streit mit einem jungen Migranten gestorben war. An den politisch rechten Protesten waren nicht mehr nur die üblichen verdächtigen Parteikader beteiligt: Auch die Rocker der Legion mischten mit. Sie hetzten in sozialen Netzwerken mit.

Im Frühjahr 2013 versuchten rechte Demonstranten dann, eine friedliche, antifaschistische Mahnwache in Weyhe zu stören. Unter ihnen: Carsten Rekus, der die Homepage der „Legion“ verwaltet und in der Region um das Ansehen der Rocker bemüht ist, sowie der ehemalige „Roadhouse“-Geschäftsführer Markus Markowsky. Der legte sich in Kirchweyhe mit der Polizei an und wurde, am Kopf blutend, von den Beamten ruhig gestellt.

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