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Praktische Ökumene

Rund 7.000 der Kirchentagsbesucher sind katholisch. Einige werden trotz Verbot am Abendmahl teilnehmen

Wie hältst Du es mit dem Abendmahl? Diese Frage stellt sich so manchem Katholiken, der den evangelischen Kirchentag besucht. Denn der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat bereits eine eindeutige Antwort formuliert: Katholiken dürften nicht an einem gemeinsamen Abendmahl teilnehmen. „Wir werden das gemeinsame Abendmahl schmerzlich vermissen“, antwortete daraufhin Kirchentagspräsident Reinhard Höppner, denn nach evangelischem Verständnis darf jeder Christ am Abendmahl teilnehmen.

Also wird die Zeremonie zum Abschluss den Kirchentages offiziell rein evangelisch stattfinden. Doch tatsächlich dürfte sich so mancher katholische Gläubige einfinden – rund 7.000 der mehr als 100.000 Dauer-Gäste des Kirchentags haben angegeben, dass sie katholisch seien.

Einer von ihnen ist Peter Fritsch aus Berlin, der mit seiner evangelischen Frau abwechselnd den Kirchentag und den Katholikentag besucht. Für beide ist es völlig selbstverständlich, entweder an katholischen Eucharistie-Feier oder aber am Abendmahl teilzunehmen. Ein schlechtes Gewissen hat Fritsch „überhaupt nicht“. Schließlich ist er doch extra angereist, um die „offenen Debatten“ zu genießen. „Diese Mischung aus spiritueller Ansprache, Diskussion und Information finde ich nur auf Kirchentagen.“

Ein wenig strenger ist Gerald Jaschke aus Michelstadt im Odenwald. Er ist dagegen, Eucharistie und Abendmahl zu vermischen – findet aber, dass beide Konfessionen an beiden Handlungen teilnehmen können. Schließlich hat er in seiner Heimatstadt einen fünf Kilometer langen „Besinnungspfad“ eingerichtet. Zwar orientiert sich sein Meditationsweg am „Sonnengesang“ des Heiligen Franz von Assisi, ist aber trotzdem ökumenisch ausgerichtet. Wie seine Frau Loni erklärt, sollen damit gerade Menschen angesprochen werden, die Gott eher fern stehen: „Viele sagen doch, dass sie im Wald besser beten können als in der Kirche.“ Auch Muslime sind ihren Pfad schon gegangen. Inzwischen verbreitet sich die Idee des Besinnungspfades in ganz Deutschland – sogar im evangelischen Hamburg sei einer geplant. Da wirken Debatten ums Abendmahl eher nebensächlich.

Tina Dessau von der katholischen Lebensgemeinschaft „Chemin Neuf“ kann sich hingegen nicht vorstellen, an einem evangelischen Abendmahl teilzunehmen. „Wir müssen den Schmerz aushalten, kein gemeinsames Abendmahl zu erleben.“ Als überzeugte Katholikin will sie „versuchen, in der Einheit mit meiner eigenen Kirche zu leben“. Denn sonst, so fürchtet sie, „schreitet die Zersplitterung weiter voran“. ULRIKE HERRMANN

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