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Vom Kommunisten zum Freund der USA

Als armer Junge sei er aufgewachsen, heißt es in von ihm selbst veröffentlichten Lebensläufen. Sali Berisha, der 1944 im nordalbanischen, an der Grenze zu Kosovo gelegenen Ort Tropoja geboren wurde, ist dies heute nicht mehr. Die weitläufige Villa in seinem Heimatort zeugt von seinem Erfolg als Mediziner und Politiker. Im Oktober 2005 zum Ministerpräsidenten Albaniens gewählt, leitete er bereits von 1992 bis 1997 als erster nichtkommunistischer Präsident die Geschicke seines Landes.

Berisha ist in Albanien eine umstrittene Figur. Er galt lange Zeit als aufbrausend und gegenüber politischen Gegnern nicht zimperlich. Er stürzte als Präsident, weil er 1996 in Wahlbetrügereien verwickelt war, er führte militante und bewaffnete Demonstrationen an, um seine Position mit allen Mitteln durchzusetzen und hat trotz aller Brüche doch letztlich zur Stabilisierung des in vielfältiger Weise zurückgebliebenen Landes beigetragen. Seine Freunde bewundern seine Intelligenz und Zielstrebigkeit.

Im kommunistischen System des mit harter Hand regierenden Parteiübervaters Enver Hoxha gelang es dem fleißigen und linientreuen Schüler, nach Tirana zu kommen – damals keine Selbstverständlichkeit –, um dort Medizin zu studieren und im Anschluss daran seine Kenntnisse in Paris zu erweitern. Nach seiner Rückkehr übernahm er 1980 eine Professur an der Universität Tirana.

Dort war er auch kommunistischer Parteisekretär. In dieser Funktion gehörte er im Dezember 1990 einer Delegation an, die mit kritischen Studenten diskutieren sollte. Das war der Wendepunkt in seinem Leben. Denn der Professor solidarisierte sich mit den Studenten und setzte sich an die Spitze einer demokratischen Bewegung. Er war Mitbegründer der Demokratischen Partei, schon 1991 ihr Vorsitzender, wurde schließlich 1992 zum Präsidenten des Landes gewählt. Doch als die Widerstände gegen seine rasante Privatisierungspolitik, die zu Massenentlassungen und der Zerstörung der Landwirtschaft führte, in der Bevölkerung stärker wurden und das Pendel zur Sozialistischen Partei zurück schwang, kämpfte er mit allen Mitteln um die Macht.

Nach den Unruhen von 1997 und seiner Niederlage fand er als Oppositionsführer aber relativ schnell eine neue Rolle. Er akzeptierte seine Wahlniederlage 2001 und pfiff seine kampfbereiten Anhänger zurück, ließ sich fortan von amerikanischen Experten beraten, die schon George Bush zur Seite standen. Dessen Sohn, US-Präsident George W. Bush, versprach ihm anläßlich seines Besuchs in Tirana am Sonntag, sich für eine Vollmitgliedschaft Albaniens in der Nato und eine europäische Perspektive des Landes einzusetzen. ERICH RATHFELDER

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