: Wuchtige Wut
GITARREN-KRACH Auch nach 28 Jahren Bandgeschichte proben Eleventh Dream Day mit aufgekratzten Gitarren den Aufstand: „Riot Now!“ fordert das neue Album der Chicagoer
VON MICHAEL SAAGER
Meine Güte! Noch so eine alte Band, die wieder unterwegs ist! Was ja eigentlich ziemlich schön ist, trotz des fragwürdigen Leumunds, den das Gefühl der Nostalgie völlig zurecht hat. Irgendwann stehen sie – die totgeglaubten und wiederauferstandenen alten Helden der mit US-Punk oder Gitarren-Krach sozialisierten Hörer – womöglich alle gemeinsam auf der Bühne: Dinosaur Jr., The Jesus Lizard, Pavement, Mission of Burma, Slint und, na klar, Eleventh Dream Day natürlich. Zugegeben, ein etwas albernes Bild. Vergessen Sie es einfach.
Eleventh Dream Day also. Bereits 1983 in Chicago gegründet, kann man den Musikern mit Sicherheit nicht vorwerfen, sie seien zurückgekehrt, um noch mal richtig abzusahnen. Aus verschiedenen Gründen nicht: Erstens war die von Rick Rizzo (Gitarre) und dessen Frau Janet Beveridge Bean (Drums, Gesang) ins Leben gerufene Gruppe, die auszog, um College Rock, Punk, Post Rock und Folk miteinander zu versöhnen, niemals wirklich weg. Zweitens: Richtig viel Geld haben Eleventh Dream Day früher schon nicht verdient, obwohl sie Ende der 80er mit dem Album „Prairie School Freakout“ sozusagen auf dem Sprung waren, berühmt zu werden. Lang ist’s her.
Richtiggehend hart, ja, punkig wütend ist außerdem das aktuelle Album. Es trägt den passenden Titel „Riot Now!“. Für eine Band in diesem Dienstalter eine ungewöhnliche Haltung. Was Eleventh Dream Day freilich noch sympathischer macht: eben weil die Musiker das Wütend-Sein nicht der Antifa-Jugend oder konservativen Wutbürgern überlassen. Anscheinend geht es in einigen Texten um die Enttäuschung über die Politik Obamas, von der man sich mehr Biss und weniger Konservatismus versprochen hatte. Zugegeben, es gibt vernünftigere Gründe sauer zu sein. Verstehen kann man den Gesang insgesamt leider nicht so gut. Wie auch immer: Es kreischen aufgekratzte Crazy-Horse-Gitarren im Idiom des US-Punks. Eine Menge ungestümer Krach wird geschlagen. Die Melodien vergessen Eleventh Dream Day freilich nicht. Wie könnten sie auch. Erwähnten wir bereits, dass Eleventh Dream Day eine irre gute Liveband sind?
■ Di, 12. 7., 21 Uhr, Fabrik, Barnerstraße 36
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen