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Fröhlich lächelnd in die Selbstvernichtung

Der neue Viertel-Imbiss sei ein rotes Tuch für TierrechtlerInnen, weil es Konsumenten suggeriert, den Tieren gehe es gut, sagt die Tierrechts-Historikerin Mieke Roscher. Mit den Protesten gegen den Öko-Fleischer in den 90ern hätten die Farbbeutel-Aktionen aber nichts zu tun

MIEKE ROSCHER, ist Historikerin und promoviert an der Universität Bremen zur Entstehung der britischen Tierrechtsbewegung.

taz: Warum könnte jemand Farbbeutel an die Fassade des „Schweinske“ werfen?

Mieke Roscher: Das Objekt „Schweinske“ passt auf ideale Weise in das Zielschema der radikalen Tierrechtsbewegung. Es handelt sich um eine Kette, die Fleischkonsum aus Massentierhaltung bedient. „Schweinske“ ist kein internationaler Konzern wie McDonalds, aber immerhin deutschlandweit aktiv. Zudem wird „Schweinske“ natürlich durch seine Selbstvermarktung zum roten Tuch für TierrechtlerInnen.

Weshalb?

Das Schwein im Logo des Unternehmen begibt sich selbst fröhlich lächelnd in seine eigene Vernichtung. Es erteilt damit nicht nur den Konsumenten die Absolution. Es konterkariert auch die Bemühungen, auf das Leid von Tieren aufmerksam zu machen. Das lachende Schwein suggeriert, den Tieren gehe es gut, sie brauchen keine Befreiung. Damit wird der Vernutzungsdiskurs symbolisch umgangen. In genau diesen wollen TierrechtlerInnen aber eingreifen.

Und dabei lassen sie sich von einem Bildchen abhalten?

Das Symbol ist besonders perfide. Es spricht dem Tier eine Subjektivität zu. Das Schwein erscheint als einzelnes Individuum mit Charakter.

Betonen nicht gerade TierrechtlerInnen auch immer die Subjekthaftigkeit von Tieren?

Natürlich. Aber dabei haben sie immer die Erweiterung der Rechte der Tiere im Auge – und nicht ihre Vernichtung. Die Menschen, die Tiere als Nahrung nutzen, begreifen Tiere hingegen immer als Sache. Wenn „Schweinske“ nun mit einem lachenden Schwein mit persönlichem Charakter Werbung für Tiervernichtung macht, dann ist dies ein subtiler Angriff auf den Diskurs um die Rechte von Tieren. Dennoch glaube ich nicht, dass die Attacke auf „Schweinske“ zwangsläufig eine Aktion der Tierbefreiungsfront war. Hier dürfte es eher um stadtteilpolitische Aspekte gegangen sein.

Warum?

Die Tierrechtsszene achtet traditionell sehr auf die mediale Verbreitung ihrer Aktionen. Bei solchen Angriffen wird stets erklärt, warum ein Anschlag stattgefunden hat. Das ist hier nicht passiert. Die Notwendigkeit, der Öffentlichkeit solche Aktionen zu erläutern, ist in Deutschland übrigens viel größer als beispielsweise in Großbritannien.

Verstehen EngländerInnen den militanten Veganismus von alleine?

Nein. Aber dort sind solche Anschläge viel häufiger, das Thema ist ständig in den Medien. Der Diskus um Tiernutzung ist dort seit vielen Jahren von TierrechtlerInnen mitbestimmt worden.

Das war in Deutschland in den neunziger Jahren auch der Fall.

Die Zeiten sind nicht mehr vergleichbar. Damals war eine mediale Repräsentationsebene gegeben. Veganismus und Tierrechte wurden in jeder größeren Talkshow besprochen, es gab Berichte im „Stern“ und im „Spiegel“. Militante Aktionen bedurften daher nur wenig Erklärung. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Das Thema Tierrechte ist ziemlich von der Bildfläche verschwunden.

Steht der Protest gegen „Schweinske“ in einer Diskussionslinie mit dem Widerstand gegen den Öko-Schlachter im Ostertor in den Neunzigern?

Sicherlich nicht. Damals ging es um etwas anders: Die Haltung linksliberaler KonsumentInnen sollte angegriffen werden. Diese Klientel hat ihren Fleischkonsum stets mit dem Hinweis auf eine „artgerechte Tierhaltung“ von Bio-Betrieben gerechtfertigt. Für TierrechtlerInnen ist das eine billige Entschuldigung, um auf Fleisch nicht verzichten zu müssen. Für sie gibt es keine „artgerechte Tierhaltung“. „Schweinske“ ist da schon was anderes. Hier laufen ganz viele Fäden zusammen. Den kapitalismuskritischen Aspekt kann man zum Beispiel viel stärker herausstreichen.

Ist das nicht Symbolpolitik?

Natürlich ist alles nur symbolhaft. Man kann nicht alle angreifen. Dennoch: Mit dem Schlachter an der Ecke macht sich das nicht so gut. Man kann eine kapitalismuskritische Perspektive hier nicht so ohne weiteres einbringen, wie bei großen Konzerne wie McDonalds – oder eben „Schweinske“.

Interview: Christian Jakob

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